In schwerer See

Warum die Kirche sich an der Seenotrettung beteiligt

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat beschlossen, sich in einem breiten Bündnis am Kauf eines Schiff es für die Seenotrettung zu beteiligen. Diese Entscheidung hat die Synode der EKD bekräftigt und alle Landeskirchen, Kirchenkreise, Kirchengemeinden, kirchlichen Institutionen und Werke sowie zivilgesellschaftliche Akteure ermutigt, dem Bündnis „United4Rescue – Gemeinsam Retten“ zeitnah beizutreten und die Spendenaktionen des Bündnisses zu unterstützen. Der Beschluss der EKD hat viele Reaktionen ausgelöst. Es gab Kirchenaustritte, teils mit drastischen Worten formuliert. Auf der anderen Seite stimmen sehr viele Menschen dem Vorhaben zu – innerhalb und außerhalb der Kirchengemeinden, oft mit ebenfalls starker Geste („Jetzt weiß ich wieder, warum ich Kirchensteuer zahle …“ „Ich war noch nie so stolz auf meine Kirche …“). Dennoch ist jeder Kirchenaustritt bedauerlich. Manchmal beruht ein solcher Schritt auf unzureichenden Informationen. Daher möchten wir – so gut wie möglich – über die Hintergründe und Intentionen des Beschlusses informieren und beantworten auf dieser Seite die am häufigsten gestellten Fragen.


Wird die evangelische Kirche das Schiff selbst betreiben?
Mit der Spendenaktion #wirschickeneinschiff wird für ein zusätzliches Rettungsschiff im Mittelmeer geworben, dass von dem operativen Partner Sea-Watch betrieben wird. Sea-Watch ist bereits europaweit auf der Suche nach einem geeigneten Schiff. Für ein solches Schiff braucht es nautische Expertise, das Wissen, wie man solche Rettungseinsätze auf hoher See durchführt, und die Kapazitäten, das Schiff mit Mannschaft und laufenden Kosten zu betreiben.

 

Wird der Schiffskauf mit Spendenmitteln finanziert?
Das Aktionsbündnis „United4Rescue – Gemeinsam Retten“ wurde von der EKD und Sea-Watch ins Leben gerufen, um sowohl ein Rettungsschiff zu schicken, wie auch in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis für die Seenotrettung einzustehen und Spenden sammeln, um Menschenleben auf dem Mittelmeer zu retten. Darüber hinausgehende Spenden gehen an andere Rettungsorganisationen, die akut Unterstützung benötigen. Es darf nicht sein, dass einsatzbereite Rettungsschiffe nicht auslaufen können, weil es der jeweiligen Organisation an Geld fehlt. In solchen Fällen wird „United4Rescue“ organisationsübergreifend, schnell und unbürokratisch helfen.

 

Wie viel kostet das Schiff? Wird es auch aus Kirchensteuern finanziert?
Noch ist kein Kaufpreis bekannt, es wird aber mit einem niedrigen siebenstelligen Betrag gerechnet. Der Betrag für den Kauf des Schiff es soll vor allem über Spenden finanziert werden. Kirchensteuern sollen von der EKD nur in den Aufbau des Bündnisses, nicht aber unmittelbar in das Schiff gehen.


Wann wird das Schiff auslaufen?
Das Schiff soll schnellstmöglich zum Einsatz kommen. Ein genaues Datum lässt sich aber noch nicht nennen. Die EKD hofft, dass das Schiff bereits im kommenden Frühjahr eingesetzt werden kann. Zahlreiche Schritte sind im Vorfeld nötig: Das nötige Geld muss gesammelt werden, ein geeignetes Schiff muss gefunden und dieses für Rettungseinsätze umgebaut, ausgestattet und in einem letzten Schritt ins Mittelmeer überführt werden.

Gibt es schon konkrete Kaufpläne?
Nein, die EKD hält allerdings bereits gemeinsam mit Seenotrettern Ausschau nach einem geeigneten Schiff unter deutscher Flagge.

 

Welchen Sinn macht es, mit viel Aufwand ein Schiff loszuschicken, das möglicherweise wenig später wieder beschlagnahmt wird?
Jedes gerettete Leben ist diesen Aufwand wert. Sollte das Schiff behindert oder festgesetzt werden, wäre das ein humanitärer Skandal. Die EKD will damit auch ein Zeichen setzen, dass Politik nicht länger tatenlos bleibt, sondern die staatliche Seenotrettung unverzüglich wieder aufgenommen wird.

 

Ist es ausgeschlossen, dass Seenotretter neben einem europäischen Hafen auch nordafrikanische Häfen ansteuern? Was spricht gegen Tunesien?
Tunesien kann – wie auch Marokko – kein sicherer Hafen sein, weil es dort kein Asylsystem gibt. Amnesty International und andere Organisationen weisen eindringlich auf staatliche Menschenrechtsverletzungen gegen Schutzsuchende hin. Das erste Gerichtsurteil zum Fall der Sea-Watch 3 und der Kapitänin Carola Rackete untermauert dies: Das italienische Gericht bestätigte, die Entscheidung eines Kapitäns, das libysche SAR-Gebiet in Richtung Italien zu verlassen, sei legitim, weil in Libyen und Tunesien keine „sicheren Häfen“ existieren. Vielmehr ist die Anlandung an einem Ort notwendig, an dem die Menschenrechte garantiert sind, angefangen beim Asylrecht. Tunesien bietet das nicht, auch wenn der UNHCR und lokale NGOs dort gute Arbeit leisten und auch staatliche Behörden Fortschritte machen.


Ist es Aufgabe der EKD, sich in kontroverse Einschätzungen, etwa über die Beurteilung Tunesiens, hineinzubegeben und auf dieser Basis politisch tätig zu werden?
Menschen in Seenot müssen in Sicherheit gebracht werden. So sieht es das internationale Seerecht vor! In den vergangenen Monaten wurde politisch alles darangesetzt, die Rettung von Menschenleben zu verhindern und die zivile Seenotrettung zu kriminalisieren. Da darf Kirche nicht tatenlos zusehen. Die EKD erinnert mit ihrem Handeln an Mitmenschlichkeit, Barmherzigkeit, an Solidarität mit Menschen in Not. Das eigentliche Signal der Initiative ist, aufmerksam zu machen auf die Situation im Mittelmeer, das anhaltende Sterben Tausender Menschen, die weitgehend tatenlose Politik, die auf europäischer Ebene immer noch keinen Verteilmechanismus finden konnte. Und auf die vielen Städte und Kommunen, die sich bereiterklärt haben, Bootsflüchtlinge aufzunehmen.


Wer gehört zu dem breiten gesellschaftlichen Bündnis?
„United4Rescue“ wird von einem unabhängigen, gemeinnützigen Trägerverein getragen. Die Vereinsmitglieder setzen sich schon seit Jahren für die zivile Seenotrettung ein und unterstützen das Bündnis mit ihrer Expertise und ihren Kontakten. Ob Sportverein, Unternehmen, Kirchengemeinde, Schule oder ehrenamtliche Initiative – jede Organisation kann als Bündnispartner mitmachen! Es soll eine starke gesellschaftliche Allianz entstehen, die deutlich macht: Das Recht auf Leben ist unverhandelbar und Seenotrettung humanitäre Pflicht. Die Spendenkampagne ist unter dem Hashtag #wirschickeneinschiff angelaufen. Es gibt auch entsprechende Internetseiten.

Warum beteiligt sich die EKD an der Seenotrettung?
Als Kirche und Diakonie sehen wir das Retten von Menschenleben als selbstverständliche Pflicht an. Es ist ein Gebot christlicher Nächstenliebe, Menschen, die aus ihren Heimatländern vor Krieg und Elend fliehen, nicht ihrem Elend zu überlassen.

 

Weitere Informationen finden Sie online unter: www.united4rescue.com 

 

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