Fr, 24.06.2011„We Have A Right To Be Heard”

Bericht über die Internationale Ökumenische Friedenskonvokation im Mai 2011 auf Jamaica von Oberkirchenrat Olaf Grobleben

Die Abendmaschine von Miami (USA) nach Kingston (Jamaica) ist fast vollständig von Kirchenvertreterinnen und -vertretern besetzt: Bischöfinnen und Bischöfe, Pfarrerinnen und Pfarrer, Vertreterinnen und Vertreter von Kirchenleitungen, Kirchengemeinden, ökumenischen Initiativen und Vereinen, sie alle fliegen nach Jamaica, um an der Internationalen Ökumenischen Friedenskonvokation teilzunehmen. Diese beginnt am 18. Mai und endet nach einer Woche am 24. Mai. Sie stellt die offizielle Abschlussveranstaltung der Dekade zur Überwindung von Gewalt dar.

Die Vollversamlung bei der Internationalen Ökumenischen Friedenskonvokation auf Jamaika.

Gespräche in Kleingruppen.

Nach Ankunft in Jamaica schlägt uns allen ein schwül-warmes Klima entgegen. Mit dem Bus werden wir zum Tagungsort gebracht, der University of the West Indies in Kingston, der Hauptstadt Jamaicas. Hier erwarten uns die Stewards, um uns unsere Zimmer zu zeigen und uns die ersten Hinweise zur Orientierung zu geben. Alles wirkt noch etwas fremd, chaotisch und unstrukturiert, das wird sich jedoch schon am nächsten Tag weitestgehend ändern.

Am anderen Morgen erhalten alle Teilnehmenden bei ihrer schriftlichen Anmeldung im Konvokationsbüro das wohl wichtigste Utensil für die Tagung: eine grüne Plastikflasche, um an den zahlreich vorhandenen Wasserstellen Wasser zapfen zu können. Ohne dieses Wasser hätte diese Tagung nicht stattfinden können, da das Klima heiß, schwül und sehr anstrengend war. So merkten wir alle am eigenen Leib und ganz direkt, welche Bedeutung gesundes Trinkwasser und der Zugang dazu für Menschen hat!

Tagen hinter Stacheldraht
Am Vormittag des 18. Mai bestand die Möglichkeit, kirchliche und diakonische Projekte in Kingston und Umgebung zu besichtigen. Am Nachmittag wurde dann die Friedenskonvokation feierlich eröffnet, eine der Ansprachen hielt Bischöfin i.R. Margot Käßmann. Sie führte ein in die Geschichte der Dekade zur Überwindung von Gewalt und verdeutlichte, dass weltweit an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten durch diese Dekade viele Projekte angestoßen wurden, die dazu beigetragen haben, Gewaltanwendung kritisch zu hinterfragen, vielleicht auch zu verhindern.

Was es heißt, in einer von Gewalt geprägten Gesellschaft zu leben, wurde uns Teilnehmenden tagtäglich vor Augen geführt. Im Mai vergangenen Jahres verloren nur wenige Kilometer vom Tagungsort entfernt in der Stadt Kingston knapp 70 Menschen bei einem von einem Drogenboss angezettelten Aufruhr ihr Leben. Selbst in den besseren Stadtvierteln Kingstons  ist es für Touristen gefährlich, nach Einbruch der Dämmerung zu Fuß unterwegs zu sein. Das Universitätsgelände selbst ist ein riesiges abgegrenztes Areal, das nur nach Passieren von Sperren zu betreten ist. Innerhalb des Universitätsgeländes sind wiederum einzelne Areale, in denen Studentenwohnheime stehen und in denen wir auch untergebracht waren, wiederum voneinander mit Stacheldraht und Drahtverhau voneinander abgegrenzt. Wenn ich vom Studentenwohnheim zum Essen in die mir zugewiesene Mensa gehen wollte, musste ich mindestens an einer Stelle einen bewachten Übergang nehmen und mich zum Teil auch ausweisen. Augenfällig wird, dass Gewalt Menschen voneinander trennt, sie einschüchtert und bedrohen kann. Das ist vielleicht der erste Eindruck, den ich aus Jamaica mitbringe: wie dankbar wir alle dafür sein können, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Gewaltanwendung weitestgehend gesetzlich geregelt ist und in der ich als Individuum von unkontrollierter Gewalt weitestgehend geschützt bin.

Inhaltlich wurden an den kommenden vier Tagen mit Ausnahme des Sonntags, der zur Erholung diente und von vielen zu selbst organisierten Ausflügen genutzt wurde, vier Themen schwerpunktmäßig bearbeitet: Frieden in der Gemeinschaft, Frieden mit der Schöpfung, Frieden in der Wirtschaft, Frieden zwischen den Völkern. Ein sogenanntes „Handbuch für den gerechten Frieden“, das vom Ökumenischen Rat der Kirchen erarbeitet wurde, sollte als Grundlage dienen, was jedoch weitestgehend nicht eingehalten wurde. Der Aufbau der einzelnen Tage bzw. der Veranstaltung insgesamt machte es schwierig, einzelne Anregungen aus den Finalveranstaltungen bzw. den zahlreichen Seminaren und Workshops zur Diskussion einzubringen. Insbesondere war es schwierig, die vorbereitete Abschlusserklärung noch zu bearbeiten. Nachdem einzelne Teilnehmende insbesondere aus westeuropäischen Kirchen dazu kritische Anfragen stellten, ist es der Leitung der Konvokation jedoch gelungen, ein Verfahren zu finden, das eine verbesserte Partizipation an der Erarbeitung der Schlusserklärung ermöglichte. Diese Schlusserklärung wurde am 24. Mai  feierlich verabschiedet und ist beispielsweise im Internet nachzulesen.

Versuch eines Fazits
Aus Sicht vieler Vertreterinnen und Vertreter von westeuropäischen Kirchen und Initiativen ist die Schlusserklärung nicht als das entscheidende Ergebnis der Konvokation zu bewerten. Vielmehr sind es vor allem unterschiedliche Begegnungen und Gespräche, die immer wieder zu überraschenden Einsichten und Anfragen auch an die eigene Arbeit und das eigene Selbstverständnis führten. Diese vielen Gespräche stellen auch in meiner Wahrnehmung einen wesentlichen Ertrag der Woche in Kingston dar. So sagte eine Teilnehmerin aus Tansania in einem Seminar, an dem ich teilnahm, einen mich berührenden Satz: „We have a right to be heard! - wir haben ein Recht darauf, angehört zu werden!“ Hier in Kingston konnten wir als Vertreterinnen und Vertreter sogenannter reicher Kirchen des Nordens praktische Solidarität mit unseren weltweiten Glaubensgeschwistern leben. Hier in Kingston konnten wir uns aber auch selbst als Teil der weltweiten Glaubensgemeinschaft empfinden, und so auch die eigene Selbstwahrnehmung kritisch befragen lassen.

Nach meiner Rückkehr aus Jamaica habe ich in diesem Sinne im Kollegium des Oldenburger Oberkirchenrates berichtet und angeregt, im Rahmen der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Zukunftskongresses 2012 wesentlich stärker als bisher vorgesehen Stimmen aus der Ökumene in die Diskussion mit einzubeziehen. In meiner Wahrnehmung können ökumenisch geprägte Gespräche und Diskussionen, Begegnungen und Treffen in besonderem Maß dazu beitragen, die Selbstwahrnehmung zu verändern. Dies sollte für die Zukunft der evangelisch-lutherischen Kirche von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein.
Ein Beitrag von Oberkirchenrat Olaf Grobleben

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