Mi, 31.10.2012Reden – Essen – Erneuern

Oldenburger Frauenmahl zum Reformationstag

Höhepunkte des Abends waren die Tischreden und Thesen von sieben prominenten Frauen aus Kirche, Kultur und Gesellschaft zu den Herausforderungen der Zeit.

Rund 80 Frauen aus dem norddeutschen Raum fanden sich zum Reden am festlich gedeckten Tisch ein.

Zwischen herbstlicher Kürbissuppe, Blätterteig Lachsroulade und Tiramisu stellten die sieben Tischrednerinnen ihre unterschiedlichen Thesen zur Erwartung an die Kirche auf, die nun auch verdaut werden müssen.

Die Veranstalterinnen: Dr. Andrea Schrimm-Heins (li.), Bildungsreferentin der Evangelisch-Lutherischen Frauenarbeit, und Gabriele Rüsch-Tillmanns (re.), Gleichstellungsbeauftragte der oldenburgischen Kirche

Hildegard Kluttig und Alexander Langenhagen sorgten mit Gitarren- und Geigenklängen für die musikalische Gestaltung des Abends.

Am 30. Oktober, dem Vorabend des Reformationstages, hatten die Evangelische Frauenarbeit und die Gleichstellungsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg in einem Gemeinschaftsprojekt zum ersten „Oldenburger Frauenmahl“ in den Lambertus-Saal der St. Lambertikirche in Oldenburg eingeladen. Das Frauenmahl stand unter dem Titel „Frauen entwickeln Visionen zur Zukunft von Kirche“. Rund 80 Frauen aus dem norddeutschen Raum fanden sich zum Reden am festlich gedeckten Tisch ein.

Höhepunkte des Abends waren die Tischreden und Thesen von sieben prominenten Frauen aus Kirche, Kultur und Gesellschaft zu den Herausforderungen der Zeit. Zu den sieben Rednerinnen gehörten die Vizepräsidentin der Universität Oldenburg, Professorin Dr. Gunilla Budde, die Geschäftsführerin der Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD), Dr. Eske Wollrad, sowie die Sozialdezernentin der Stadt Oldenburg, Dagmar Sachse.

Die Veranstalterinnen schließen sich mit dem Festmahl unter Frauen einer ganz neuen Tradition der evangelischen Kirche an, die im Rahmen der Lutherdekade bereits mehr als 20-mal in ganz Deutschland stattfand und auf das Abendmahl Bezug nimmt. Die Initiative zu einem Frauenmahl geht auf eine Idee des Marburger Frauenstudien- und Bildungszentrums in der Evangelischen Kirche in Deutschland (FSBZ) zurück und fand dort Ende Oktober 2011 zum ersten Mal statt.

Zugleich setzen sie Akzente in der Tradition von Martin Luthers berühmten „Tischreden“, in denen er in geselliger Runde reformatorische Gedanken und Thesen entwickelte, die Theologie und Kirche nachhaltig veränderten und Folgen für die Gesellschaft und das Verhältnis zwischen Männern und Frauen hatten. „Oft wird vergessen, wie intensiv die Frauen der Reformationszeit an denselben Tischen gehört und geredet haben“, betont Dr. Andrea Schrimm-Heins, Bildungsreferentin der Evangelisch-Lutherischen Frauenarbeit.

Ein halbes Jahrtausend liegen diese Anfänge der Reformation zurück. Ihre Kernaussage ist das „Priestertum aller Gläubigen“, da die Liebe Gottes allen Menschen gelte. Die zeitgleich beginnende Bildungsbewegung habe Frauen endlich den Zugang zur Teilhabe an der Gesellschaft und der Erneuerung der Kirche ermöglicht, so die Gleichstellungsbeauftragte Gabriele Rüsch-Tillmanns. „Es sollte aber noch 400 Jahre dauern, bis die erste Frau in ein Pfarramt in der evangelischen Kirche ordiniert wurde.“ Auch frauenpolitisch besteht laut Rüsch-Tillmanns immer noch Reformbedarf in der Gesellschaft wie in der Kirche.

Die Themen der Gastrednerinnen indes waren global bestimmt, aus Frauenperspektive. Globale Zugangsmöglichkeiten zu Bildung, das Verhältnis Mensch und Natur, die wachsende Kluft zwischen arm und reich, der interreligiöse Dialog, das gehe alle an, so der einhellige Tenor. Nicht nur die Politik sei am Zug, auch die Kirche. Genaugenommen: jede Einzelne trage Verantwortung für ihr Handeln. Die Kirche könne diese Botschaften in ihren Gemeinden und ihren Kontakten und Partnergemeinden in der Welt vermitteln. Sie könne die Werte verdeutlichen, dass menschliches Handeln Auswirkungen auf die Existenz allen Lebens hat, gute wie zerstörerische.

„Die Kirche als machtvolles Kollektiv soll sich einmischen, um Grenzen aufzuzeigen“, forderte Professorin Dr. Antje Sander, Leiterin des Schlossmuseums in Jever. Sie lobte kirchliches umweltpolitisches Engagement. Dennoch müsse die homozentrische Sicht der Kirche zugunsten eines Dreiklangs von Freiheit, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung insgesamt weiterentwickelt werden. Der Mensch stehe oft rücksichtslos der Natur gegenüber, statt sich als ein Teil von ihr zu begreifen.

Sieben Gänge hatte das Menü im Lambertus-Saal. Zwischen herbstlicher Kürbissuppe, Blätterteig Lachsroulade und Tiramisu stellten die sieben Tischrednerinnen ihre unterschiedlichen Thesen zur Erwartung an die Kirche auf, die nun auch verdaut werden müssen. „Das Genießen kommt keineswegs zu kurz“, betonten die Gastgeberinnen lächelnd. Und sie hatten Grund zur Freude, denn die Veranstaltung kam gut an.

„Sieben Charaktere, alle sind sie gleichermaßen spannend“, formulierte eine Besucherin zufrieden, aber auch nachdenklich. Die Potentiale einer „Social diversity“ entdecken und nutzen, fordert etwa Gunilla Budde, Vizepräsidentin der Uni Oldenburg. Die heterogene Gesellschaft stelle eine Herausforderung an die Kirche dar, die Kirche könne als Bildungsinstitution ein Forum der Begegnung sein. Ruth Heß, Gleichstellungsbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche, rief die Kirche zu einer „neuen Identität“ auf, zu der letztlich auch „Christus Jesus uns befreit hat“.

Die Oldenburger Sozialdezernentin Dagmar Sachse sorgte mit der Frage nach der „Verantwortung“ für rege Diskussionen an den Tischen. Was gesellschaftlich in welchem Umfang wertgeschätzt werde, könne in Euro abgelesen werden. So liege das Gehalt eines Wirtschaftsmanagers um das Vielfache höher als das Gehalt z.B. eines Menschen in einem sozialen Beruf. Eine Aufgabe der Kirchen sei es, Maßstäbe und Werte im Zusammenleben neu mitzubestimmen.

Zwischen Gitarren- und Geigenklängen von Hildegard Kluttig und Alexander Langenhagen nahmen die Frauen auch den souveränen, tiefsinnigen Humor der Reden wahr, etwa, wenn Freddy Dutz, Pressereferentin des Evangelischen Missionswerkes in Hamburg (EMV), zu den „Wechseljahren“ einlud, und darauf hinwies, „bei sich ganz persönlich anzufangen und die Dinge aktiv zu ändern.“

Das Wort Reformation blieb Programm: „Ecclesia semper reformanda est“ – Die Kirche ist immer weiter zu verändern, die Reformation hört niemals auf.

Ein Beitrag von Iris Klimmek.

Im Folgenden finden Sie die Beiträge der Tischrednerinnen zum Nachlesen im Format PDF:

Oldenburger Frauenmahl zum Reformationstag
„Frauen entwickeln Visionen zur Zukunft von Kirche“
am 30. Oktober 2012 im Lambertus-Saal der St. Lambertikirche Oldenburg <media 13560>Dr. Eske Wollrad</media>,
Geschäftsführerin Evangelische Frauen in Deutschland (EFiD)

<media 13561>Pfarrerin Brigitte Gläser</media>,
Leiterin der Akademie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und deren Beauftragte für Ökumene und Mission <media 13562>Professorin Dr. Gunilla Budde</media>, Vizepräsidentin Carl von Ossietzky Universität Oldenburg <media 13589>Ruth Heß</media>, Theologin und Gleichstellungsbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche <media 13563>Freddy Dutz</media>,
Pressesprecherin Evangelisches Missionswerk Deutschland (EMW), Hamburg

<media 13564>Dagmar Sachse</media>,
Sozialdezernentin der Stadt Oldenburg

<media 13565>Professorin Dr. Antje Sander</media>,
Leiterin des Schlossmuseums Jever

<media 13566>Reformatorische Thesen der weiblichen Gäste</media> anlässlich des 1. Oldenburger Frauenmahles am 30. Oktober 2012

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