Do, 13.11.2014„Die, mit denen man reden kann“ – Seelsorge in der Schule

6. Religionspädagogischer Tag Oldenburg / Ostfriesland unter dem Motto „Wenn die Seele Hilfe braucht – Kinder und Jugendliche begleiten“

Zehn Lehrkräfte erhielten im Rahmen des 6. Religionspädagogischen Tages von Pfarrer Henning Eden (rechts) und Oberkirchenrat Detlef Mucks-Büker (nicht im Bild) ihre öffentlichen Beauftragungen als Schulseelsorgerinnen und -seelsorger. Alle Fotos: ELKiO/Antje Wilken

„Wir wollen bei den Religionspädagogischen Tagen aktuelle Themen aufgreifen, die den Alltag der Lehrerinnen und Lehrer berühren“, sagte Ute Beyer-Henneberger, Geschäftsführerin der Arbeitsstelle für evangelische Religionspädagogik Ostfriesland in Aurich und Mitorganisatorin der Veranstaltung.

Pfarrer Henning Eden, Leiter der Arbeitsstelle für Religionspädagogik in Oldenburg, betrachtete die Veranstaltung auch als „Ermutigung, sich auf schwierige Gespräche einzulassen“.

„Ermutigung, Trost, Rat, Kritik oder auch ein einfaches Gebet – all das kann Seelsorge sein“, sagte Oberkirchenrat Detlef Mucks-Büker in seiner Begrüßung der Teilnehmenden des 6. Religionspädagogischen Tages.

Die Religionslehrer Cornelia Tietjen-Bruns, Sascha Hölken und Meike Hobbensiefken (v. l.) erhielten im Rahmen einer Andacht ihre öffentlichen Beauftragungen als Schulseelsorgerinnen und -seelsorger.

Dr. Christian Butt, Pädagogischer Studienleiter im Prediger und Studienseminar der Nordkirche, hielt einen Vortrag zum Thema „Abschied, Tod und Trauer – Kinder und Jugendliche begleiten“.

„Bei mir gehört es zum Alltag, Empathie zu zeigen, gut zuzuhören und kreativ zu reagieren“, sagte Teilnehmerin Monika Herrmann-Masing, Lehrerin an der Johann-Heinrich-Leiner-Schule in Leer, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. „Ich erhoffe mir, auch im Austausch mit den Kollegen, vielleicht noch die eine oder andere Herangehensweise kennenzulernen.“

„Unser heutiges Thema brennt vielen förmlich unter den Nägeln“, sagte Pfarrer Henning Eden bei der Begrüßung der Teilnehmenden des 6. Religionspädagogischen Tages in der Versöhnungskirche in Oldenburg-Donnerschwee. Die gemeinsame Veranstaltung der Arbeitsstelle für Religionspädagogik in Oldenburg (ARP) und der Arbeitsstelle für evangelische Religionspädagogik Ostfriesland (ARO) beschäftigte sich mit dem Thema Seelsorge und Krisenbegleitung in der Schule. „Bist du die, mit der man reden kann? Das hörte eine Seelsorgerin von Schülern in ihrer Schule“, so Eden. „Gerade Religionslehrkräfte erleben, dass sie über ihre pädagogischen Aufgaben hinaus als Seelsorgerinnen und Seelsorger gefragt sind, wenn Kinder sich verändern oder müde und traurig wirken, wenn Jugendliche frustriert nach einer Lebensperspektive suchen, wenn im Unterricht der Verlust eines Menschen angesprochen wird“, erklärte der Leiter der ARP. „Wir wollen ermutigen, sich dieser Aufgabe zu stellen.“

„Die hohe Beteiligung bei diesen 6. Religionspädagogischen Tagen zeigt: Wir haben einen Nerv getroffen“, sagte Ute Beyer-Henneberger, Geschäftsführerin der ARO in Aurich. „Es ist nicht immer leicht zu erkennen, wann jemand Hilfe braucht, die Signale wahrzunehmen und dann Wege zu finden, darauf zu reagieren. Wir erhoffen uns von dieser Veranstaltung, von den Workshops und Vorträgen Ideen, wie eine hilfreiche Begleitung aussehen kann, um ein Stück besser gerüstet zu sein. Es gibt immer mehr Ganztagsschulen, da wird die Notwendigkeit größer, auf Krisensituationen, die die Schülerinnen und Schüler erleben, eingehen zu können.“ Experten unter anderen aus den Bereichen ambulanter Hospizdienst und Krankenhausseelsorge waren für die Workshops zu Gast.

Rund 120 Lehrerinnen und Lehrer – von der Grundschule bis hin zu berufsbildenden Schulen – nahmen an der Veranstaltung teil und besuchten die Workshops mit Titeln wie „Wenn der Tod in die Schule kommt – Notfallplan und Notfallkoffer“, „Shitstorm im Internet – Mobbing und Co.“ sowie „Tod und Trauer mit Grundschulkindern bearbeiten“. Vor der Workshoparbeit erhielten im Rahmen einer Andacht zehn Lehrkräfte von Oberkirchenrat Detlef Mucks-Büker ihre öffentlichen Beauftragungen als Schulseelsorgerinnen und -seelsorger. Nach einer Weiterbildung haben sie nun die gleichen Rechte und Pflichten wie Seelsorger, was insbesondere den Umgang mit dem Seelsorgegeheimnis betrifft.

Seelsorge ereignet sich in der Schule in vielen alltäglichen Situationen, etwa in der Gestaltung von Unterrichtsthemen, in Tür- und Angelgesprächen, in Beratungsgesprächen bis hin zur Krisenseelsorge bei Notfällen an Schulen. „Lehrerinnen und Lehrer begleiten Kinder und Jugendliche in einer entscheidenden Phase ihres Lebens, oft über Jahre“, so Mucks-Büker. „Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern auch um das soziale Lernen.“ Kinder seien Gäste, die nach dem Weg fragen, zitierte der Oberkirchenrat die Reformpädagogin Maria Montessori. „Um ihren eigenen Weg zu finden, brauchen Kinder und Jugendliche Begleitung, der sie vertrauen können.“

Die Themen Tod und Trauer, die im Mittelpunkt des Religionspädagogischen Tages standen, beschäftigen nicht wenige Schüler aus eigener Betroffenheit. „Ich unterrichte junge Erwachsene“, sagte Meike Hobbensiefken, Schulseelsorgerin und Lehrerin an den Berufsbildenden Schulen am Museumsdorf in Cloppenburg. „Da kommt es unter den Schülern zu Todesfällen bei Verkehrsunfällen, auch zu Suiziden, die die Klassenkameraden verarbeiten müssen. Die Kollegen sind dankbar, wenn jemand als Ansprechpartner da ist.“ „Wir reden aber nicht nur mit Schülerinnen und Schülern, auch Lehrkräfte sprechen uns an“, so Sascha Hölken, Schulseelsorger und Lehrer an der Oberschule Nord in Wilhelmshaven. „Oft heißt es: Hast du mal eben Zeit?“ „Wir arbeiten mit Schul-Sozialpädagogen, mit Beratungs- und Vertrauenslehrern zusammen. Da gibt es keine Konkurrenz, sondern Kooperation“, betonte Cornelia Tietjen-Bruns, Schulseelsorgerin und Lehrerin an den Berufsbildenden Schulen II in Delmenhorst.

Vor der Workshoparbeit ging Dr. Christian Butt aus Hamburg, Pädagogischer Studienleiter im Prediger und Studienseminar der Nordkirche, in einem Vortrag auf das Schwerpunktthema „Abschied, Tod und Trauer – Kinder und Jugendliche begleiten“ ein. „Meine Behauptung ist: Wir leben in einer trauerfreien Gesellschaft“, so Butt. „Kindern und Jugendlichen fehlen Vorbilder dazu, wie sie mit Trauersituationen umgehen können. Für die Trauer zieht man sich heutzutage aus der Gesellschaft zurück, zeigt anderen seine Gefühle nicht. Ein Bestatter übernimmt Aufgaben, die früher Angehörige zu Hause erledigt haben. Das ist entlastend, aber man nimmt nicht mehr richtig teil.“ Viele Erwachsene – und Eltern – seien ratlos, wie sie mit Trauer umgehen sollten, so Butt, der in Hamburg auch an einer Stadtteilschule unterrichtet. „Wenn Eltern aber nicht mit ihren Kindern über ihre Trauer sprechen, bleiben den jungen Leuten als Orientierung nur Filme oder auch Nachrichten über Hunger, Krieg und Katastrophen.“ Dabei hätten Kinder ein Recht auf Trauer: „Erwachsene sollten Fragen von Kindern und Jugendlichen über Abschied, Tod und Trauer aushalten können und ihnen mutig begegnen. Wenn Kinder das erleben, können sie selbst diesen Mut entwickeln“, erklärte Butt und lud zu einer offenen Haltung und einer Gesprächsatmosphäre ein, in der diesen Themen Raum gegeben werde. „Menschen, die sich auf solche Gespräche einlassen, bleiben nicht unberührt, aber sie werden bereichert“, sagte er zum Abschluss.
Ein Beitrag von Antje Wilken

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