Sa, 20.09.2014«Wie ein schweres Erdbeben» - Selbsthilfe unterstützt Eltern suchtkranker Kinder

epd-Gespräch: Dieter Sell

Bad Bederkesa (epd). In landes- und bundesweiten Initiativen der Selbsthilfe unterstützen sich Eltern suchtkranker Kinder gegenseitig, um durch den Austausch von Erfahrungen Ratlosigkeit und Ängste zu überwinden. «Die Sucht erschüttert Familien wie ein schweres Erdbeben», sagte Ursula Schaffhausen vom niedersächsischen Landesverband der Elternkreise Drogenabhängiger und -gefährdeter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vertreter aus Elternkreisen treffen sich an diesem Wochenende im Evangelischen Bildungszentrum Bad Bederkesa im Landkreis Cuxhaven, um dort über ihre Situation zu sprechen.

Regional verankerte Elternkreise in ganz Deutschland unterstützen Väter und Mütter, ein Bundesverband hat seine Zentrale in Münster. Auch Eltern, Großeltern und nicht abhängige Geschwister seien massiv betroffen, wenn es in der Familie ein suchtkrankes Kind gebe, erläuterte Verbandsvorsitzende Schaffhausen. «Nicht selten ziehen sie sich aus Scham, Selbstvorwürfen, Verzweiflung und Angst vor Ablehnung von Freunden und Bekannten zurück.» Auslöser sei längst nicht nur Heroin. «Es geht auch um Medikamentenmissbrauch, Glücksspiel, extensiven Alkohol- und riskanten Cannabis-Konsum.»

Um eine Perspektive zu finden, dürfe es in erster Linie nicht um das «warum» gehen, sagte Schaffhausen. «Die Frage nach dem 'warum' macht depressiv, wir kümmern uns mehr um das 'was nun'.» Eltern müssten sich klar positionieren und sich von dem Gedanken befreien, sie könnten den Abhängigen zur Einsicht zwingen. «Er lebt in einer anderen, in seiner eigenen Realität.» Was «klar» bedeuten kann, buchstabiert Schaffhausen so: «Konsequent sein, loslassen, abgrenzen und auf Regeln bestehen, beispielsweise darauf, dass im Elternhaus keine Drogen konsumiert werden.»

«Normalerweise wollen Eltern um jeden Preis ihr Kind bewahren und Schaden von ihm abwenden», verdeutlichte Schaffhausen. Wenn eine Sucht im Spiel sei, müssten sie lernen, diese Haltung aufzugeben. Die Erfahrung zeige, wer sich abgrenze und beispielsweise nicht mehr die Schulden des drogenabhängigen Kindes bezahle, gewinne Sicherheit und könne besser erkennen, wo er sich möglicherweise zum Gehilfen der Sucht mache. «Eine Therapie ist angewiesen auf die aktive Mitarbeit des Abhängigen. Also muss der Suchtkranke unter dem Druck der Ausweglosigkeit seiner Situation Therapiebereitschaft entwickeln.»

Eine klare Position der Eltern bedeute nicht, das Kind fallenzulassen, betonte Schaffhausen. «Im Gegenteil. Wichtig ist, immer wieder das Gespräch zu suchen und in Kontakt zu bleiben. Damit geben wir das Signal: Ich setze mich mit dir auseinander, du bist mir wichtig.» Das brauche einen langen Atem und viel Geduld. Allein in Niedersachsen sind es landesweit mehr als 30 Elternkreise, die Väter und Mütter unterstützen. Schaffhausen: «Das kann jede Familie treffen.»

Internet:
Niedersächsischer Landesverband der Elternkreise: www.led-nds.de  Bundesverband der Elternkreise: www.bvek.org  Informationsbroschüre «Vom Hoffen und Bangen - Vom Aushalten und Loslassen»: http://u.epd.de/7ew

Evangelisches Bildungszentrum Bad Bederkesa: www.ev-bildungszentrum.de

Orte:
Landesverband der Elternkreise Drogenabhängiger und -gefährdeter Niedersachsen e.V., Podbielskistraße 162, 30177 Hannover Evangelisches Bildungszentrum Bad Bederkesa, Alter Postweg 2, 27624 Bad Bederkesa



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