Fr, 05.03.2010Waschen, kochen, trösten - Seit 50 Jahren vermittelt das evangelische Dorfhelferinnenwerk Krisenmanagerinnen des Alltags

Hannover/Uelzen (epd). Finn und Felix brauchen pünktlich ihre Mahlzeit - beide zugleich. Regelmäßig stehen für die Frühgeborenen Arzttermine an. Dann müssen zwei Babysitze ins Auto gehievt werden.
Für Mutter Astrid Ludwig ist das nicht zu schaffen, zumal sie selbst sich schonen muss. Der 31-Jährigen wurde bei der Geburt ihrer Zwillinge im November eine schwangerschaftsbedingte Herzschwäche diagnostiziert. Deshalb kommt Dorfhelferin Heidemarie Schulz jeden Morgen pünktlich um sieben Uhr in das Einfamilienhaus der Ludwigs am Rande von Uelzen. Sie füttert einen der hungrigen Jungs und schleppt die Kindersitze in den Wagen.

   Die 55-Jährige ist so etwas wie eine Krisenmanagerin des Alltags und für Astrid Schulz zurzeit unverzichtbar. Vor 50 Jahren wurde in Niedersachsen das Evangelische Dorfhelferinnenwerk gegründet. Es hilft, wenn die Hausfrau oder der Hausmann ausfällt. Dann springen Heidemarie Schulz und ihre Kolleginnen ein: Sie betreuen die Kinder, kochen und waschen. Wenn nötig helfen sie bei der Pflege von Angehörigen, roden Kartoffeln oder reinigen auf einem Bauernhof die Melkkammer.

   Am 9. März feiert das Dorfhelferinnenwerk in Hannover mit Gästen wie dem Ratsvorsitzenden der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Bischof Friedrich Weber, und dem Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) sein Jubiläum. Rund 160 Frauen sind derzeit landesweit im Einsatz. Auch Dorfhelfer wären denkbar, sagt die Leiterin der Geschäftsstelle in Hannover, Gabriele Lübke-Beimdiek:
«Doch es gibt in diesem Beruf keinen Mann. Das liegt wohl an der hauswirtschaftlichen Ausbildung.»

   Ein Abschluss als Hauswirtschafterin und ein Jahr Berufserfahrung sind Voraussetzungen, um die 14-monatige Fachweiterbildung zur Dorfhelferin in Loccum bei Nienburg zu belegen. Dort stehen neben
Haus- und Landwirtschaft oder Pflege auch Fächer wie Pädagogik und Psychologie auf dem Stundenplan. Menschenkenntnis kommt sowieso dazu, wenn jemand wie Heidemarie Schulz 35 Jahre im Beruf ist.

   «Ich warte immer erst mal ab und peile die Lage», sagte die 55-Jährige, die sich bis zu zehnmal im Jahr auf eine neue Familie einstellen muss. Ihren Arbeitstag verbringt sie in deren Haushalt. Da ist Kommunikation gefragt - besonders, wenn die Hausfrau nicht zu Kur oder im Krankenhaus ist, sondern wegen Krankheit oder Schwangerschaftsbeschwerden zu Hause Verstärkung braucht.

   «Das war für mich ungewohnt, aber sie hat sich vorsichtig heran getastet», sagt Astrid Ludwig. Nach der Geburt der Zwillinge hatte ihr Mann sie in drei Monaten Elternzeit unterstützt. Für acht Wochen hat ihre gesetzliche Krankenkasse Astrid Ludwig jetzt die Dorfhelferin genehmigt. Zwar wurden die Einrichtung zur Unterstützung bäuerlicher Familien gegründet, heute aber können auch Städter das Angebot in Anspruch nehmen.

   Als evangelische Landeskirchen in Niedersachsen 1960 das Dorfhelferinnenwerk gründeten, stand ihnen noch die Not auf landwirtschaftlichen Betrieben vor Augen. In Baden-Württemberg und Bayern gab es die Dorfhelferinnen da bereits. Im Zweiten Weltkrieg waren viele Männer gestorben, so dass ihre Frauen auf sich gestellt waren. «Industrialisierung und Landflucht führten dazu, dass
Verwandtschafts- und Nachbarschaftshilfe nicht mehr leistbar war», sagt Lübke-Beimdiek.

   Heute gibt es nach den Erfahrungen von Heidemarie Schulz neue Herausforderungen. Immer häufiger kämen die Dorfhelferinnen in Familien, in denen jemand unter Depressionen oder anderen schweren Krankheiten leide. Häufig unterstützten sie auch Alleinerziehende.
«Es ist hart, wenn alleinerziehende Mütter mit mehreren Kindern von Hartz IV leben müssen», sagt sie: «Der Satz ist zu niedrig.» Manche hätten zudem nicht gelernt, mit Geld umzugehen. Und nicht alle nähmen die Tipps der erfahrenen Helferinnen an. Doch Schulz würde ihren Beruf wieder ergreifen: «Das Besondere daran ist die Abwechslung.»  Karen Miether (epd)

Internet: www.dhw-nds.de

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