Do, 12.08.2010Warten auf den Sonnenuntergang - Christen und Muslime feiern gemeinsam das erste Fastenbrechen im Ramadan

Delmenhorst (epd). Selten ist der Sonnenuntergang in Delmenhorst bei Bremen so sehnlich erwartet worden. Zwei Stunden lang reihen sich Grußwort an Grußwort in dem vollen Festzelt neben der Mevlana-Moschee, während hinter einer Abtrennung das Buffet vorbereitet wird. Der Duft von Köfte, Börek, Auberginen und Döner zieht durch das Festzelt. Gelegentlich klappern Teller. Doch noch ist Verzicht und Disziplin angesagt. Erst nach Sonnenuntergang um 21.08 Uhr darf am Mittwochabend das für die Muslime heilige Fasten gebrochen werden.

Erstmals hat die Mevlana-Moschee gemeinsam mit der evangelischen Kirchengemeinde «Zu den 12 Aposteln» in Delmenhorst zum ersten Fastenbrechen, dem «Iftar-Mahl», im muslimischen Fastenmonat Ramadan eingeladen. Mehr als 200 Gäste aus der Nachbarschaft, der Stadt, der Kirche und der Landesprominenz sind gekommen.

Bis zum 8. September müssen die weltweit rund 1,3 Milliarden Muslime von Sonnenaufgang bis Untergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sexualität verzichten. Abends wird das Fasten mit einem festlichen Essen, dem «Iftar-Mahl», beendet. Am 9. September folgt dann das Fest des Fastenbrechens. Der Verzicht soll die Muslime an Gott und die ärmeren Mitmenschen erinnern. «In der Zeit, die wir nicht zum Essen brauchen, können wir über unser Handeln nachdenken», sagt eine Muslima Im Festzelt. «Das heilt unsere Seele.» Das Fasten gehört wie das Glaubensbekenntnis, die täglichen Gebete, die Armensteuer und die Pilgerfahrt nach Mekka zu den fünf Säulen des Islam.

Der Vorsitzende der Mevlana Moschee, Eyüp Ertugrul, begrüßt die Gäste als «Geschwister in der Menschlichkeit». Dieses Fastenbrechen sei eine «Versammlung unter der Erlaubnis Gottes». Seit 35 Jahren besteht die Moschee in dem Delmenhorster Stadtteil Düsternort, seit 21 Jahren wird dort auch das Iftar-Mahl mit Gästen gefeiert. «Wir haben hier eine besondere Situation. Unsere Kooperation baut auf persönliche Begegnungen und Vertrauen.»

In den Reden des Abends wird viel über den gegenseitigen Respekt und der Anerkennung des jeweils anderen Glaubens gesprochen. Oberbürgermeister Patrick de La Lanne (SPD) beschwört den notwendigen Dialog der Religionen und Kulturen. Die Stadt sei eine Einwanderungsstadt. Vor 140 Jahren zählte Delmenhorst gerade 4.000 Einwohner, heute sind es etwa 75.000. «Wir leben in einer pluralen Gesellschaft. Vorbehalte und Ängste dürfen wir nicht ignorieren, aber wir müssen uns in unserer jeweiligen Identität begegnen.»

Auch der oldenburgische evangelische Bischof Jan Janssen zählt zu den Ehrengästen. Er erinnert an die jüdisch-christliche Tradition und berichtet von der Gastfreundschaft des biblischen Patriarchen Abraham. Abraham gilt als Vater der drei Buchreligionen, Judentum, Christentum und Islam. Gastfreundschaft, sagt Janssen, sei das Leitsymbol für den Dialog. «Flotte Sprüche religiöser Gleichmacherei helfen uns nicht. Verständigung braucht Freiräume und Ehrlichkeit.»

Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen (CDU) war schon häufiger zur Gast beim Delmenhorster Iftar-Mahl. «Wichtig ist, dass der Dialog nicht nur auf dem Papier steht - und das ist hier der Fall», sagt sie. Die, wenn auch ungeplante, Bestätigung ihrer Worte folgt am Ende des Abends nach dem abendlichen Ruf des Vorbeters. Eine deutsche Nachbarin hält es nicht mehr auf dem Stuhl und sie ruft in die Menge: «Wir verstehen uns alle sehr gut hier in Düsternort. Ich hab euch alle lieb.»

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