Do, 10.01.2013Unabhängige Forschung zum Missbrauchsskandal gefordert

Die Enttäuschung über das Scheitern einer umfassenden Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche ist groß. Experten und Betroffene fordern Konsequenzen: Die Aufarbeitung dürfe nicht der verantwortlichen Institution überlassen werden.

Berlin/Hannover (epd). Nach dem Scheitern einer umfangreichen Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche haben Experten und Betroffene Konsequenzen für die Aufarbeitung gefordert. Der Fachbeirat des Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten, Matthias Katsch, verlangt ein Eingreifen von Bundesregierung und Bundestag. «Es braucht den Druck des Staates, beispielsweise eine Enquete-Kommission des Bundestags einzurichten, die sich des Missbrauchs systematisch annimmt», sagte er der «tageszeitung» vom Donnerstag.

Der Vorsitzende des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt (netzwerkB), Norbert Denef, fordert strengere Gesetze zur Aufklärung von sexuellem Missbrauch. Im Bayerischen Rundfunk sagte er: «Wir brauchen eine klare Gesetzesreform, wir brauchen eine Anzeige- und Meldepflicht.» Vorgesetzte müssten verpflichtet werden, Täter anzuzeigen. Derzeit schütze der Staat nur die Kirche, beklagte Denef. Der 63-Jährige wurde als Kind jahrelang von einem katholischen Messdiener missbraucht.

Die Enttäuschung über das Scheitern der Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit dem Kriminologischen Institut Niedersachsen (KFN) ist indes groß. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte im Deutschlandfunk, die Entscheidung erwecke den Eindruck, dass Kirchen-Vertreter doch nicht alles unabhängig aufklären lassen und am Ende ihre Hand auf gewonnene Erkenntnisse halten wollten. Erneut stellte sie sich hinter das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, bezeichnete das Scheitern der Studie als «außerordentlich schädlichen Vorgang» bezeichnet. Glück sagte dem Südwestrundfunk (SWR), er wisse nicht, weshalb Fragen des Personen- und Datenschutzes «plötzlich ein unlösbares Problem geworden» seien. Er erwarte von der nächsten Sitzung der Bischofskonferenz Ende Januar, dass dort der «Aufklärungswillen» bekräftigt werde.

Die katholische Kirche hatte am Mittwoch die Zusammenarbeit mit dem Institut gekündigt, das eine umfangreiche Studie zur Aufklärung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche erarbeiten sollte. Das Vertrauensverhältnis zum Leiter des Projekts, Christian Pfeiffer, sei zerrüttet. Pfeiffer hatte den Bischöfen vorgeworfen, seine Forschung zensieren und über Veröffentlichungen entscheiden zu wollen. Die katholische Kirche will sich nun einen neuen Partner für das Projekt suchen.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sagte, er sehe die Kirche in der Pflicht, das Forschungsvorhaben schnell fortzuführen. Ähnlich äußerte sich auch der Kirchenbeauftragte der FDP-Bundestagsfraktion, Stefan Ruppert. Er erwarte, dass die katholische Kirche weiter mit unabhängiger wissenschaftlicher Begleitung aufarbeiten wird.

Der Kinderschutzbund hat daran Zweifel. Präsident Heinz Hilgers warf den Bischöfen in der «Saarbrücker Zeitung» (Donnerstagsausgabe) Vertuschung vor: «Ich habe den Verdacht, dass starke Kräfte in der katholischen Kirche jetzt nach der Methode Vergessen-und-Vergeben arbeiten». Ohne Pfeiffers Institut sei nun «ein Gefälligkeitsgutachten» zu erwarten.


 

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