Mo, 22.02.2010Ukrainische Journalistin: Kritische Berichterstattung unerwünscht

Nordhorn/Kr. Grafschaft Bentheim (epd). Die Medien in der Ukraine sind nach Auffassung der Journalistin Lessja Chartschenko aus der Hauptstadt Kiew zu reinen Unterhaltungslieferanten geworden. «Alle Sender sind in der Hand von in- oder ausländischen Oligarchen, die unsere Programminhalte bestimmen. Kritische Berichterstattung ist bei unseren Geldgebern unerwünscht », sagte die 36-jährige Fernsehjournalistin vom Sender «Studio 1plus1» in einem epd-Gespräch.
Chartschenko war Gast bei der bundesweiten Eröffnung der 17.
evangelischen Spendenaktion «Hoffnung für Osteuropa» am Sonntag im niedersächsischen Nordhorn.

   «Themen wie Armut oder der Wahlstimmenkauf bei der Präsidentschaftswahl vor zwei Wochen kommen einfach nicht mehr vor», beklagte die Journalistin. Wie viele junge Journalisten machte Chartschenko nach der Wende zu Beginn der 1990er Jahre zahlreiche Praktika bei westlichen Sendern, etwa beim ZDF oder bei der englischen BBC, und brachte ihr neu erworbenes Wissen mit in ihre Heimat. 2003 wurde sie mit dem Journalistenpreis von «Hoffnung für Osteuropa» ausgezeichnet. Zwölf Jahre lang habe sie als Nachrichtenredakteurin in der Ukraine gearbeitet. «Das gibt es einfach nicht mehr.»

   Zwar bestehe auch heute noch die Pressefreiheit, «aber wir können sie nicht mehr nutzen». Es werde nur noch gesendet, was Quote und damit Werbeeinnahmen bringt. An eine medienpolitische Wende in absehbare Zeit glaube sie nicht. Dazu müssten sich die Journalisten zusammenschließen und organisieren. «Das klappt nicht, weil sich alle Kollegen um ihren Job sorgen.» Junge Leute ohne eine journalistische Ausbildung rückten schnell in freiwerdende Stellen nach.

   Derzeit bange sie um die junge Demokratie in ihrem Land, sagte Chartschenko. Bei der Präsidentschaftswahl hätten die Menschen ihre Stimme für umgerechnet sechs Euro verkauft. «Das haben beide Seiten gemacht.» Es zeige aber, dass die Demokratie nicht funktioniere, wenn die Menschen arm sind und jedes bisschen Geld zum Überleben brauchen.

   «Um unser Land zu verändern, brauchen wir viele Reformen», ergänzte die Journalistin. «Aber wir müssen sie selber machen.» Hilfreich wäre eine kritische Berichterstattung der westlichen Medien über das Leben in der Ukraine, die dann wenigstens über das Internet ins Land käme. Doch derzeit betrachteten die deutschen Medien die Ukraine «nur aus dem russischen Blickwinkel» kritisierte Chartschenko. Kein deutscher Sender habe einen Korrespondenten in der Ukraine: «Die Kollegen sitzen alle in Moskau.»

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