Di, 10.08.2010Telefonseelsorger: Probleme bei Anrufern immer gravierender

Hannover (epd). Anrufer bei der Telefonseelsorge haben nach Erfahrungen der Mitarbeiter immer schwerwiegendere Probleme. Die Leiter niedersächsischer Seelsorgestellen machen dafür in wirtschaftlich unsicheren Zeiten die Angst um den Arbeitsplatz und die zunehmende Vereinzelung der Menschen verantwortlich. «Der Druck wächst, und zugleich kriegt das soziale Netz aus Familie und Freundeskreis immer mehr Risse», sagte Christian Voigtmann von der evangelischen Telefonseelsorge in Hannover am Dienstag dem epd.

Die Telefonseelsorge ist bundesweit kostenlos unter den Nummern
0800/1110111 und 0800/1110222 zu erreichen. Während die Zahl der Anrufe seit einigen Jahren stagniere, nehme das Ausmaß der Probleme der einzelnen Hilfesuchenden zu, sagte Ulla Huntemann-Clasen von der Telefonseelsorge Elbe-Weser in Bad Bederkesa. So seien zwar insgesamt die Suizidzahlen gesunken, allerdings habe sich die Zahl der Anrufe zum Thema Suizid nicht verringert.

Bundesweit haben nach ihren Angaben im vergangenen Jahr rund 2,2 Millionen Anrufe die Telefonseelsorge erreicht. In der hannoverschen Landeskirche waren es rund 110.000. «Mehr kommen nicht durch. Der Bedarf liegt höher als die Beratungsmöglichkeiten», sagte Huntemann-Clasen. Auch die Seelsorge per Chat und Mail sei zunehmend gefragt. In den sechs Beratungsstellen in der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland engagieren sich den Angaben zufolge rund 500 Ehrenamtliche.

Weil sie rund um die Uhr und unter Wahrung der Anonymität zu erreichen ist, sei die Telefonseelsorge ein «Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen», sagte der Göttinger Einrichtungsleiter Wilfried Lenzen. Bevor jemand sich an den Pfarrer, Arzt oder auch an Freunde wendet, greift er nach Erfahrungen der Seelsorger zum Hörer.

Dabei spielten auch aktuelle Ereignisse wie zuletzt das Unglück bei der Love-Parade in Duisburg eine Rolle, sagte Huntemann-Clasen. In den Anrufen sei es etwa darum gegangen, dass jemand die Massenpanik überlebt und das Gefühl hatte, ungerechtfertigt «davongekommen» zu sein, erläuterte sie. Bei anderen wurde die Trauer um den Tod eines geliebten Menschen wieder aufgewühlt.

«In den Anrufen verbirgt sich bewusst oder unbewusst die Frage nach dem Lebenssinn», sagte Jürgen Willenbockel. Der Leiter der Telefonseelsorge in der braunschweigischen Landeskirche unterstrich:
«Die Telefonseelsorge ist ein Schritt der Kirchen auf die Menschen zu.» Bundesweit sind die mehr als 100 Beratungsstellen der Telefonseelsorge in evangelischer, katholischer oder gemeinsamer Trägerschaft. Sie finanzieren sich zumeist durch kirchliche Zuschüsse und durch Spenden.

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