Mi, 05.12.2012Süße Versuchung - Evangelische Kirche öffnet erneut Wiedereintrittsstelle im Kaufhaus

Das Geld und der Ärger über Mitarbeiter sind oft Gründe für einen Austritt aus der evangelischen Kirche. Ein Schritt, der nun leicht wieder rückgängig gemacht werden kann: etwa beim Einkauf im Supermarkt. Die Kirche lockt dort mit Selbstgebackenem.

Posthausen/Kr. Verden (epd). Ein verlockender Duft zieht durch die Berufsbildenden Schulen im niedersächsischen Verden. In der Lehrküche von Hauswirtschaftsmeisterin Barbara Großkopf steht heute Mürbeteig auf dem Unterrichtsplan. Jugendliche rollen und formen um die Wette.
Auf ihren Blechen sammeln sich eng an eng Kirchen und Engel - Kekse, die für die Wiedereintrittsstelle der evangelischen Kirche im Einkaufszentrum Dodenhof in Posthausen bei Bremen bestimmt sind. Dort sollen sie von diesem Freitag an vor dem Supermarkt des Shopping-Centers verteilt werden. Eine süße Versuchung.

«Wir backen Kekse aus 30 Kilo Mehl», bilanziert Lehrerin Großkopf, die vor allem den praktischen Nutzen der Aktion sieht. «Die richtige Mischung, den Teig ausrollen und schließlich den Backofen kontrollieren - Übung ist wichtig für die Jugendlichen», betont die erfahrene Hauswirtschafterin. «Viele ernähren sich ja nur noch von Dosenfutter.» Bei Jennifer Homann (17) ist das anders. «Wir machen zu Hause Tonnen Kekse», lacht sie und nascht zusammen mit ihrer Backpartnerin Hanna Wurth (16) vom frischen Teig.

Auch Schulpastorin Helene Eißen-Daub freut sich über die Weihnachtsbäckerei. «Oh, Kirche zum Anbeißen - so reagieren viele Passanten, wenn wir ihnen die Kekse an unserem Stand anbieten», erzählt die Theologin. Vor sieben Jahren startete der Kirchenkreis Verden die Aktion, die saisonal auf die Adventswochenenden befristet ist. Wer will, kann seither vor dem Supermarkt unkompliziert in die evangelische Kirche eintreten. Seit dem Start 2005 hatten das rund 180 Männer und Frauen auf ihrem vorweihnachtlichen Einkaufszettel.

Noch in den 1950er Jahren war das ein hochnotpeinlicher Akt.
Voraussetzungen waren damals Beichte, Bußhandlung und eine Zeit der Bewährung mit regelmäßigem Gottesdienstbesuch. «Heute reicht uns neben dem Gespräch der Wille, in die Kirche zurückzukehren», erläutert Mitorganisatorin und Pastorin Constanze Ulbrich. «Auch wenn jemand aus der Kirche ausgetreten ist, bleibt die Taufe als Zusage Gottes gültig - das ist das Fundament für den Wiedereintritt.»

2010 waren es gut 22.000 Männer und Frauen, die nach den neuesten verfügbaren Zahlen wieder in die evangelische Kirche eingetreten sind. Die Katholiken zählten rund 7.400. Die Austritte liegen aber deutlich höher. Sie betrugen in diesem Zeitraum bei den 22 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) rund 145.000, in den katholischen Bistümern mehr als 181.000.

Constanze Ulbrich hört, dass Menschen die Kirche verlassen haben, weil sie in der Phase der Familiengründung oder beim Hausbau jeden Euro sparen wollten. Und nun ist die finanzielle Situation entspannter. Aber auch Frust mit Gottes Bodenpersonal spielt eine Rolle. «Wenn etwa der Besuch des Pastors oder der Pastorin ausbleibt.» Nicht selten sind es dann die Wendepunkte im Leben, die mit einem Wiedereintritt verbunden sind: Kinder werden geboren, Freunde wollen einen Paten gewinnen, eine Hochzeit steht an. «Der Wiedereintritt ist oft ein dichter Moment, auch mit Tränen in den Augen», meint Helene Eißen-Daub.

Wer will, kann im Kaufhaus sogar über landeskirchliche Grenzen hinweg wieder Mitglied werden, also auch in Niedersachsen in die bayerische Landeskirche eintreten. Andernorts ist das sogar über telefonische Hotlines, in Bussen, Cafés oder wie in Hannover in einer Buchhandlung möglich. Doch der Wiedereintritt im Einkaufszentrum hat Seltenheitswert und ist neben Posthausen so nur noch im «CentrO Oberhausen» möglich.

Der Stader Regionalbischof Hans Christian Brandy unterstützt die Initiative und will sie an diesem Freitag mit eröffnen. «Viele Menschen haben Sehnsucht nach einem Halt im Glauben, nach Liebe und Zusammengehörigkeit. Und ganz generell ist es gut, wenn die Kirche da ist, wo die Menschen sind. Und vor Weihnachen sind sie eben shoppen.»

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