Di, 23.02.2010Studie: Arme Menschen auf dem Land leiden besonders unter Scham

Hannover (epd). Menschen mit geringem Einkommen, die auf dem Land leben, strengen sich besonders an, ihre Armut vor den Nachbarn zu verbergen. Nach einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sind sie mehr als Städter darum bemüht, ihre Armut zu verheimlichen. «Aus Scham werden Hilfsangebote nicht genutzt oder Ansprüche nicht geltend gemacht», sagte Marlis Winkler, die die Studie geleitet hat, am Montag in Hannover. Das Institut hatte bereits im Jahr 2007 eine Studie zur städtischen Armut veröffentlicht.
Für die aktuelle Untersuchung wurden in den fünf evangelischen Kirchenkreisen Emden, Uelzen, Lüchow-Dannenberg, Stolzenau-Loccum und Cuxhaven unter anderem 30 Frauen und Männer im Alter von 19 bis 78, die arm oder von Armut bedroht sind, befragt. Knapp 16 Prozent der Bevölkerung gilt in Deutschland als arm. Über das Leben in Armut auf dem Land wurde nach Angaben der EKD bisher wenig geforscht.
Als Probleme erleben arme Menschen auf dem Land - wie auch arme Menschen in Städten - Arbeitslosigkeit, Schulden, Sucht sowie das Gefühl, von der Gesellschaft ausgegrenzt zu sein, sagte Winkler.
Hinzu komme ein größeres Schamgefühl. In der Studie wird eine 63-jährige Mutter von zwei erwachsenen Kindern zitiert, die sagt: «Es ist mir wahnsinnig schwer gefallen, zur Tafel zu gehen. Ich habe mich jedes Mal umgesehen, ob da keiner ist, der mich sieht.» Die soziale Kontrolle werde als belastend erlebt. Einige der Befragten fühlten sich aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen, berichtete Winkler.
Außerdem erschwerten die schlechte Infrastruktur und unzureichende
Bus- und Bahnverbindungen den Alltag.
«Die Menschen haben klare Vorstellungen, wie sich ihre Situation verbessern kann», sagte Winkler. Mütter wünschten sich beispielsweise kostenlose Fahrdienste in der Ferienzeit sowie Menschen im Ort, die ihren Kindern ehrenamtlich Nachhilfestunden oder Musikunterricht geben.

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