Fr, 08.12.2017Soziologe Nassehi: Es gibt ein Recht auf Migrationsskepsis

Bremen (epd). Der Soziologe Armin Nassehi warnt davor, Bedenken gegen eine Einwanderung und die Diskussion von Problemen in diesem Zusammenhang per se als rechtspopulistisch abzustempeln. "Es gibt ein Recht auf Migrationsskepsis", sagte Nassehi im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wenn man das anerkennt, kann man diskutieren statt zu dämonisieren." Der 57-jährige Sozialwissenschaftler wollte am Freitagabend in Bremen zusammen mit Freiwilligen des Sozialen Friedensdienstes (SFD) über "die Flüchtlingskrise als Katalysator" diskutieren.

Der Münchner Professor für Soziologie sagte, die Debatte über negative Folgen der Migration sei viel zu lange den Skeptikern und Rechtspopulisten überlassen worden. So sei ein Schwarz-Weiß-Denken entstanden, von dem die Alternative für Deutschland (AfD) profitiere. Kronzeuge dafür sei AfD-Parteichef Alexander Gauland, der davon gesprochen habe, dass seine Partei in erster Linie durch die Flüchtlingskrise wieder aufgestiegen sei. "Wir müssen Grautöne in der Diskussion wahrnehmen", forderte Nassehi einen differenzierten Blick auf Flucht, Migration und Integration.

Die Flüchtlingskrise hat nach Auffassung des Soziologen einen Kulturkampf in der Gesellschaft verstärkt und Konflikte zugespitzt, die zuvor schon vorhanden waren. Während einerseits behauptet werde, Deutschland müsse seine Grenzen öffnen, sehen andere die Identität der Deutschen durch Einwanderer und Geflüchtete gefährdet. Da helfe es nicht, Probleme zu verharmlosen. "Das vergiftet die Situation. Dem können wir begegnen, indem Probleme auch von den Menschen benannt werden, die der Migration positiv gegenüberstehen. Dann werden rechtspopulistische Positionen entzaubert."

Im Zentrum der politischen Auseinandersetzung steht für den Wissenschaftler die Debatte um ein Einwanderungsgesetz, das seinen Worten zufolge auch moralisch schwierige Fragen konkret lösen muss. "Mit dem gesellschaftlich notwendigen Pluralismus umzugehen heißt nicht, entweder alle Grenzen zu öffnen oder alle zu schließen."

Die Politik müsse legale Formen der Einwanderung auch an eigenen Interessen festmachen und mit einer humanitären Komponente verknüpfen. Der Bevölkerung müsse deutlich gemacht werden, wie Herausforderungen im Zusammenhang mit der Integration von Flüchtlingen gelöst werden sollten, um Vereinfachungen vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund müsse die Bereitschaft zur kontroversen Debatte mit Grautönen wachsen - "auch unter denen, die Einwanderung wollen".   

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