Mo, 06.05.2013Sozialforscher: Konkurrenzdenken in der Gesellschaft fördert Steuerbetrug

Hannover/Darmstadt (epd). Steuerbetrug wird nach Ansicht von Sozialforschern durch ein stärkeres Wettbewerbsdenken in der Gesellschaft gefördert. «Alles und jeder muss sich heute der Konkurrenz aussetzen», sagte der Politik-Professor Heiko Geiling am Montag in Hannover. Manche finanziell erfolgreiche Menschen glaubten deshalb, sie seien der Gesellschaft nichts schuldig. In den vergangenen zwanzig Jahren habe sich das gesellschaftliche Klima zunehmend in Richtung Konkurrenz und individuelle Vorteilsnahme gewandelt.

Soziale Aufsteiger folgten dabei meist einer extremen Leistungsideologie, erläuterte der Professor der Leibniz Universität Hannover: «Sie sind davon überzeugt, sich in jeder Lebenslage der Konkurrenz gestellt zu haben.» Ihrer Logik zufolge dürften die sozialen Verlierer des Wettbewerbs deshalb auch nicht mit ihrem Steuergeld «alimentiert» werden.

Trotz dieser Denkweise könne Steuerhinterziehung bei Einzelnen Hand in Hand mit Geldspenden für wohltätige Projekte gehen. Finanziell Privilegierte meinten, sie könnten so - im Gegensatz zu öffentlichen Ausgaben - kontrollieren, was mit ihrem Geld passiert. «Solche gönnerhaften Gaben dienen aber durchaus auch der Reklame für die eigene Person», sagte Geiling.

Der Darmstädter Elitenforscher Michael Hartmann kritisierte die steuerliche Moral einiger Reicher ebenfalls. «Das ist eine tief verwurzelte Mentalität - hauptsächlich bei Unternehmern.» Vor allem Wirtschaftseliten interpretierten Steuern häufig als «staatliche Raubzüge», erläuterte der Soziologie-Professor. Dies liege daran, dass über 90 Prozent der Unternehmer ihren beruflichen Erfolg auf die eigene Leistung zurückführten. «Der gesellschaftliche Anteil daran wird bestenfalls am Rande wahrgenommen.»

Viele selbstständige Unternehmer glaubten zudem, der Staat könne mit Geld nicht umgehen. Befeuert werde dieser Glauben von einigen Interessenorganisationen, die etwa unsinnige öffentliche Ausgaben anprangerten. «Der Bund der Steuerzahler betreibt mit seinen Schwarzbüchern sehr erfolgreiche Lobbyarbeit - auch bei den kleinen Leuten», sagte Hartmann. Steuerlicher Betrug könne dadurch als Kavaliersdelikt verstanden oder sogar als «Notwehr» gerechtfertigt werden.

Hartmann hatte in einer Studie zu «Leistungseliten» in Deutschland den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Spitzenkarrieren etwa in der Wirtschaft untersucht. Geiling ist Mitautor verschiedener Untersuchungen zu sozialen Milieus und zum gesellschaftlichen Strukturwandel.

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