Mi, 04.08.2010Soziale Verbände in Niedersachsen kritisieren geplante Millionen-Einsparungen bei Behinderten

Hannover (epd). Die geplanten Millionen-Einsparungen der niedersächsischen Landesregierung bei Behinderteneinrichtungen werden von sozialen Verbänden scharf kritisiert. Nach Auffassung der hannoverschen Diakonie sind sie «ein gravierender Rückschlag auf dem Weg zu mehr Teilhabe von Menschen mit Behinderung». Auch die Lebenshilfe bezeichnete es als unfair, dass es trotz steigender Kosten bei den Personal- und Sachkosten im kommenden Jahr keine Anpassung geben soll.

Bei seiner Klausurtagung am Wochenende hatte das Land über ein Sparpaket in Höhe von insgesamt 345,45 Millionen Euro entschieden. Den größten Einzelbetrag über 30,5 Millionen Euro tragen nach Angaben der Verbände die Behinderteneinrichtungen.

Nach Angaben des Sozialministeriums handelt es sich bei den Einsparungen nicht um Kürzungen, sondern um den Verzicht auf eine Erhöhung. Die einzige vertretbare Möglichkeit zur Kostendämpfung sei, bei den Vergütungsvereinbarungen anzusetzen, die das Land mit den Trägern von teilstationären und stationären Einrichtungen geschlossen habe. Ursprünglich seien Lohnsteigerungen in Höhe von 30,5 Millionen Euro bei der Eingliederungshilfe vorgesehen gewesen. Diese sollten nun nicht ausgeschüttet werden.

Lebenshilfe-Geschäftsführer Kersten (rpt. Kersten) Röhr sagte dazu, die, die am wenigsten etwas mit der Finanzkrise zu tun hatten und haben, «müssen nun die Suppe auslöffeln, die andere eingebrockt haben». Die Einrichtungen und Dienste der Diakonie teilten mit, sie seien nicht in der Lage, die steigenden Kosten aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Die Kürzungen beinhalteten auch Finanzierungszusagen für das laufende Jahr, die noch nicht gezahlt worden seien: «Hier sind die Träger schon in Vorleistung gegangen und verlieren somit das Vertrauen in die Landesregierung», sagte Diakoniesprecher Sven Quittkat.

Für viele Einrichtungen bedeute diese Nullrunde Kürzungen von bis zu vier Prozent ihres Budgets: «Ohne Einsparungen beim Personal ist dies nicht möglich», so Quittkat. Die Diakonie fordere das Land deshalb auf, zumindest die für 2010 vertraglich zugesicherten Mittel bereitzustellen und die Kürzungen für 2011 nachzuholen. Eine dauerhafte Kürzung sei mit der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen jedoch nicht vereinbar.

Der Landeschef des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, forderte Niedersachsens Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) dazu auf, sich gegen die Kürzungen in der Behindertenhilfe stark zu machen.
Ministerpräsident David McAllister (CDU) verzichte darauf, sich in Berlin für höhere Einnahmen einzusetzen. «Allein die Rücknahme des Milliardengeschenks an Hoteliers, ein höherer Spitzensteuersatz und die Einführung einer Vermögenssteuer hätten Niedersachsen viele Millionen Euro gebracht.»

Der Behindertenbeauftragte des Landes Niedersachsen, Karl Finke, sagte, besonders große Einrichtungen wie die Diakonie Himmelsthür oder die Stiftung Neuerkerode bei Braunschweig seien von den Sparmaßnahmen betroffen: «Wenn in Verwaltung und Administration keine Einsparungen mehr möglich sind, könnte auch das Personal und damit der Service für behinderte Menschen eingeschränkt werden.»

Der Direktor der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, Rüdiger Becker, verwies auf grundsätzliche Finanzprobleme. Auf politischer Ebene stiegen seit Jahren die Ansprüche gegenüber der Behindertenhilfe. Gefordert werde die Inklusion behinderter Menschen, die mehr sei, als ein barrierefreier Zugang von Gebäuden.

«Inklusion kostet Geld», sagte Becker dem epd. Doch das Geld, das vom Land für die stationäre Behindertenhilfe komme, fange nicht einmal die Kostensteigerungen etwa durch Tariferhöhungen bei den Beschäftigten auf. In der Evangelischen Stiftung Neuerkerode bei Braunschweig leben 840 Menschen mit geistiger Behinderung und mit Lern- und Mehrfachbehinderungen.

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