Do, 15.03.2012Schon die Kleinsten sind zu dick - Im Kampf gegen Übergewicht setzen Kitas vermehrt auf Sport und Bewegungsspiele

Übergewicht ist oft die Folge von Bewegungsmangel. Jedes fünfte Kind ist hierzulande schon zu dick, Tendenz steigend. Frühe Prävention ist gefragt. Die Idee kommt an: Immer mehr Kitas setzen systematisch auf Sport und Bewegung.

Köln/Osnabrück (epd). In Deutschland ist mittlerweile fast jedes fünfte Kind zu dick. Sechs Prozent leiden sogar an einer krankhaften Fettsucht, einer sogenannten Adipositas. Als Folge der überschüssigen Kilos erkranken schon die Kleinsten an Beschwerden, die sonst im Rentenalter auftreten: So leidet jedes dritte übergewichtige Kind an Bluthochdruck und jedes fünfte an Gicht. Experten fordern möglichst frühe Prävention. Damit rückt auch die Arbeit der Kitas ins Blickfeld.

«Die Daten empirischer Untersuchungen zu Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen zeigen einen kontinuierlichen Anstieg», sagt die Sportwissenschaftlerin Renate Zimmer von der Universität Osnabrück. So ist der Anteil der dicken Kinder seit den 80er Jahren um die Hälfte gestiegen. Adipositas tritt bei Kindern sogar doppelt so häufig auf.

Zimmer, die auch Direktorin des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung ist, führt das auf immer weniger Bewegung, hohen Medienkonsum und schlechte Ernährung zurück: «Das Elternhaus ist sehr prägend.»

Dabei ist Übergewicht nicht nur ein medizinisches Problem: «Auch das Selbstwertgefühl leidet darunter, was alle Lebenssituationen beeinträchtigt», sagt die Professorin. Experten fordern deswegen, den Kampf gegen Fettleibigkeit und Adipositas am besten bereits im Kindergartenalter zu beginnen.

Bei dem Gemeinschaftsprojekt «Schwer mobil» des Landesportbunds NRW und des Ministeriums für Kinder, Jugend und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen etwa geht es gezielt um Gesundheitsförderung für übergewichtige Kinder. «Etwa 300 Sportvereine machen bislang mit und bieten ein sportübergreifendes Programm mit viel Bewegungsspielen an», sagt Sven Konnertz vom Landessportbund. Ähnliche Konzepte gibt es zum Beispiel auch in Niedersachsen, in Bayern und in Hamburg.

Renate Zimmer hält solche Angebote für sehr sinnvoll, warnt aber davor, die Sportangebote den Kindern gegenüber durch die Wahl eines Namens wie «Schwer mobil» zu etikettieren: «Ich finde integrative Gruppen besser, in denen übergewichtige mit anderen Kindern zusammen turnen.»

Auf die gemeinsame Sportförderung setzen auch die rund 480 anerkannten Bewegungskindergärten in Nordrhein-Westfalen. Der Landessportbund verleiht dieses Zertifikat an Einrichtungen, die eine ganzheitliche bewegungsfördernde Bildungs- und Erziehungsarbeit anbieten. Der städtische Bewegungskindergarten in Köln-Ehrenfeld etwa bietet jeden Tag Turnstunden an, so dass jedes Kind mindestens drei Mal die Woche in seiner Altersgruppe turnen kann. Alle 18 Erzieherinnen mussten sich weiterbilden, um eine Qualifikation vorweisen zu können, die der eines Übungsleiters in einem Sportverein entspricht. Die Kosten von 600 Euro pro Person übernahm die Stadt.

«Die Kinder sind begeistert, denn sich zu bewegen entspricht ja dem natürlich Bedürfnis eines Kindes», erläutert die Kita-Leiterin Christine Hoffmann. Vielen Kindern fehlten zu Hause die Möglichkeiten dazu: «Früher konnten wir als Kinder einfach auf der Straße spielen, heute ist das ja aufgrund des Verkehrs kaum noch möglich.» Deswegen setzt sie in ihrer Kita auf vielfältige Bewegungsmöglichkeiten: Neben dem Turnunterricht gehen die Kinder zweimal am Tag auf das Außengelände, wo sie zu Bewegungsspielen angeleitet werden. «Sie können Seilspringen, Roller fahren, Plumpsack spielen oder Hindernisläufe absolvieren.»

Die Kinder haben zudem die Möglichkeit, an Angeboten eines Schwimmvereins teilzunehmen, der mit dem Kindergarten kooperiert. «Meinem Sohn macht sein Wassergewöhnungskurs noch mehr Spaß, weil er ihn zusammen mit seinen Freunden aus der Kita machen kann», sagt die Mutter des vierjährigen Lennart. Wie wichtig Bewegung schon im Kindergartenalter ist, wird auch Eltern immer mehr bewusst. Hoffmann: «Es rufen oft Eltern an, die ihre Kinder unbedingt zu uns geben wollen, weil sie im Internet gelesen haben, dass wir ein Bewegungskindergarten sind.»

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