Do, 24.01.2013Sarrazin-Auftritt in Hannover löst Tumulte aus - Umstrittener Buchautor diskutiert mit scheidender Sozialministerin Aygül Özkan

Hannover (epd). Ein Auftritt des umstrittenen Buchautors und SPD-Politikers Thilo Sarrazin hat am Mittwochabend in Hannover Tumulte ausgelöst. Bei einer Podiumsdiskussion im Niedersächsischen Landesmuseum mit der scheidenden niedersächsischen Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) entrollten Gegner seiner Thesen ein Transparent mit dem Slogan «Rassismus ist ein Verbrechen». Als andere Zuhörer der Gruppe das Spruchband entreißen wollten, kam es zu einem Handgemenge. Mehrfach schritten uniformierte Polizisten ein und verwiesen Protestierende des Saals.

Sarrazin bezeichnete es als «Armutszeugnis», dass die Veranstalter «Krawallmacher» zugelassen hätten. Bei keiner der rund 100 Diskussionsrunden, an denen er bisher teilgenommen habe, sei es zu Störungen dieses Ausmaßes gekommen. Begleitet von weiteren Protesten verteidigte Sarrazin seine umstrittenen Thesen zur Integration. Sein Buch «Deutschland schafft sich ab» analysiere im sachlichen Tonfall lediglich Fakten und Trends, hob er hervor.

«Ich habe ein Bild von Deutschland und seinen Problemen gezeichnet, dass vielen ans Herz geht», sagte der frühere Berliner Finanzsenator und Bundesbank-Vorstand. Während einige der rund 200 Zuschauer seine Beiträge mit langem Beifall quittierten, reagierten andere immer wieder mit Zwischenrufen und Pfiffen.

Özkan erwiderte, Sarrazins Analyse erschöpfe sich in pauschalen Aussagen. Bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach der verlorenen Landtagswahl warf sie Sarrazin vor, Ängste zu schüren. «Das ist reiner Rassismus», urteilte die in Deutschland geborene Tochter türkischer Einwanderer und bekennende Muslima. «Sie diskreditieren damit das Ansehen Deutschlands in der Welt.» Bereits eine Vielzahl der Grundannahmen und Schätzungen in seinem Buch seien falsch. Wiederholt forderte die Ministerin Sarrazin auf, konkrete Vorschläge zur besseren Integration von Zuwanderern zu machen.

Besondere Unruhe herrschte im Saal, als sich Sarrazin für eine Einschränkung des Asylrechts aussprach. Zuwanderung zulasten des Sozialstaats müsse verhindert werden. Deutschland könne nicht für das Staatsversagen in anderen Teilen der Welt haftbar gemacht werden. In Deutschland lebende Muslime müssten sich «an das Umfeld anpassen». So ermahnte er die Diskussionsteilnehmerin Soumaya Djemai, die sich ehrenamtlich in einem Islamischen Kulturzentrum in Wolfsburg engagiert, ihr Kopftuch abzulegen. Wenn er Innenminister wäre, würde er ein Kopftuchverbot in allen öffentlichen Gebäuden durchsetzen.

Das Landesmuseum hatte Sarrazin für eine Begleitveranstaltung zu seiner aktuellen Ausstellung «Tabu» eingeladen. Sie stand unter dem Motto «Tabubruch». Die Podiumsdiskussion hatte bereits im Vorfeld zu harscher Kritik geführt. Unter anderem erklärten die Grünen, die Veranstalter seien Sarrazin «voll auf dem Leim» gegangen. Vertreter der rechtsgerichteten Partei «Die Hannoveraner» hießen den Autor vor dem Landesmuseum hingegen demonstrativ willkommen.

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