Fr, 10.10.2014Psychologe: Alle fünf Minuten ein Suizidversuch in Deutschland

Hannover (epd). Alle fünf Minuten versucht nach einer Statistik der Universität Hamburg ein Mensch in Deutschland, sich das Leben zu nehmen. «In Deutschland sterben mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Mord und Totschlag, illegale Drogen und Aids zusammen», sagte der Diplom-Psychologe Georg Fiedler bei einem Forum zur Suizidprävention am Freitag im evangelischen Stephansstift in Hannover. Nach den jüngsten vorliegenden Zahlen starben 2012 in Deutschland 9.890 Menschen durch Suizid, darunter deutlich mehr Männer als Frauen.

Rein rechnerisch nahm sich alle 53 Minuten ein Mensch das Leben, sagte Fiedler. Weit über 60.000 Menschen hätten so einen nahestehenden Angehörigen verloren. Das Durchschnittsalter derer, die durch eigene Hand starben, liege bei 56,9 Jahren. Die Zahl der Suizidversuche liege bei mehr als 100.000 pro Jahr. Fiedler arbeitet am Therapiezentrum für Suizidgefährdete am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

In einem Suizid oder Suizidversuch drückt sich in der Regel die Zuspitzung einer schweren seelischen Krise aus, sagte Fiedler. Die Betroffenen fühlten sich hoffnungslos und ausweglos: «Der Suizidale möchte nicht unbedingt sterben. Er weiß nicht, wie er unter den gegebenen Bedingungen weiterleben kann.» Ereignisse wie eine Trennung, Verlust, Kränkung oder Isolation könnten zum Auslöser von Suizidgedanken werden. Psychische Krankheiten erhöhten das Suizidgefährdung. Auch mit dem Alter steige das Risiko.

Der Tod des Fußball-Nationalspielers Robert Enke von fünf Jahren habe die Zahl der Suizide auf Bahngleisen in wenigen Tagen auf das Drei- bis Vierfach ansteigen lassen, erläuterte Fiedler. Bis heute liege ihre Zahl noch deutlich höher als vor dem Suizid von Enke. Auf der anderen Seite seien die Suizid-Zahlen seit Anfang der 1980er Jahre stark gesunken. Das liege unter anderem an verbesserten Therapien und Medikamenten in der Psychiatrie. Bei dem Forum der Evangelischen Erwachsenenbildung diskutierten Ärzte, Psychologen, Berater, Lehrer, Pflegende, Hospizmitarbeiter und Angehörige über die Suizidprävention.

Der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Christoph Künkel, plädierte dafür, Selbsttötungen zu enttabuisieren: «Wir müssen den Suizid dorthin holen, wo er hingehört: in die Mitte der Gesellschaft.» Zugleich warnte er davor, Suizide nur als individuelles Geschehen und als Entscheidung von Einzelnen zu begreifen - auch wenn es zunächst so aussehe. «Von einer Selbsttötung sind immer auch Angehörige, Freunde und Bekannte betroffen.» Stets spielten die Lebensumstände eine Rolle.

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