Do, 26.08.2010Psychiater und Suchtberater warnen vor Gefahr von Onlinespielen

Hannover (epd). Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene sind nach Einschätzung von Experten computerabhängig. Die zunehmende Zahl und die immer ausgefeiltere Technik von Online-Spielen werde das Problem künftig verschärfen, sagte Eberhard Freitag von der Fachstelle «return» am Mittwoch bei der Auftaktveranstaltung eines «Netzwerkes Medienabhängigkeit». Erstmals in Deutschland haben sich nach Angaben des Netzwerkes in Hannover dazu Vertreter aus Forschung, Medizin, Therapie-Einrichtungen, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen zusammengeschlossen.

«Die Browserspiele im Internet bieten eine Fülle von Möglichkeiten, und das oft zunächst kostenlos», sagte Freitag. Später erlebten Eltern dann böse Überraschungen, weil kostenpflichtige Zusatzmodule per SMS bezahlt werden könnten. Dadurch könne es HandyRechnungen von mehr als 2.000 Euro geben. Designer der Spiele wie «Metin 2» oder «Dark Orbit» seien findig darin, das Interesse wachzuhalten und eine immer engere Identifikation mit den Helden zu schaffen.

Zum Netzwerk in Hannover gehören neben der auf exzessiven Medienkonsum spezialisierten Fachstelle «return» auch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen und die Medizinische Hochschule Hannover. Nach einer bundesweiten Studie des Institutes sind unter den 15-Jährigen in Deutschland 1,7 Prozent abhängig und weitere drei Prozent gefährdet, sagte der Diplom-Psychologe Florian Rehbein.

Viele der Jugendlichen hätten bereits eine psychische Grunderkrankung, erläuterte der Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Hochschule, Christoph Möller. In der virtuellen Welt hätten sie viele Freunde und seien in den Spielen Teil einer Gemeinschaft: «Sie können dann ausblenden, dass sie in Wirklichkeit keine Beziehungen haben.» Einer Therapie gehe oft eine jahrelange Grenzenlosigkeit im Medienkonsum voran.

Neben den Jugendlichen erreiche seine Beratungsstelle auch Online-Sexsüchtige, sagte Freitag. Durch das Internet sei der Konsum von Pornografie stark angestiegen, denn die Hemmschwelle sei niedriger geworden. Diese Menschen kämen meist von sich aus in die Beratung. «Sie merken dann, dass ihre Beziehungen den Bach runtergehen, und haben massive Schuldgefühle.»

Die Experten dringen seit langem darauf, dass Medienabhängigkeit ähnlich wie bereits die Glücksspielsucht als Erkrankung anerkannt wird. Mittlerweile würden dazu in den USA Vereinbarungen entwickelt, sagte der Psychiater Felix Wedegärtner. Es sei absehbar, dass es auch in Deutschland zu einer solchen Anerkennung kommen werde.

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