Mi, 19.11.2014Psychiater fordern mehr Hilfsangebote für suizidgefährdete Jugendliche

Stade/Buxtehude (epd). Für suizidgefährdete Jugendliche gibt es nach Informationen von Experten zu wenig Hilfen. Die Wartezeiten für ambulante Angebote seien mit sechs und mehr Monaten zu lang, sagte die Leiterin der Stader Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Karin Kamps, dem Evangelischen Pressedienst (epd).
«Dann kann es eskalieren und es passieren Dinge, die man verhindern könnte», sagte die Ärztin. Kamps hält die Laudatio auf die Berliner Autorin Christine Fehér, der am Freitagabend der angesehene deutsche Jugendbuchpreis «Buxtehuder Bulle» übergeben wird.

Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung bekommt die 49-jährige Schriftstellerin und evangelische Religionspädagogin für ihren Roman «Dann mach ich eben Schluss». In dem Buch geht es um den 18-jährigen Max, der nach einer Party mit einem Auto absichtlich gegen einen Baum fährt und sich so selbst tötet. Suizide seien nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache unter Jugendlichen, sagte Kamps. In Deutschland sterbe an jedem zweiten Tag ein Jugendlicher durch die eigene Hand: «Darunter sind drei Mal mehr Jungen als Mädchen.»

«Manche nehmen Drogen, andere fühlen sich in der Schule überfordert, haben Liebeskummer, werden gemobbt oder sind einsam», zählte die Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychotherapie Belastungsfaktoren auf. Warnsignale seien etwa eine plötzliche Verschlechterung schulischer Leistungen, sozialer Rückzug, Teilnahmslosigkeit oder ausgeprägte Selbstzweifel. Oft werde ein Suizid in Netzwerken angekündigt.

Experten gehen davon aus, dass 70 bis 80 Prozent der Suizidversuche angekündigt werden. Der eigentliche Vollzug sei dennoch meist eine spontane Handlung und die Reaktion auf eine scheinbar nicht mehr zu bewältigende Situation. Kamps: «Eltern sind da meist nicht informiert, sondern eher Freunde.» Es komme darauf an, jugendliche Krisen ernst zu nehmen. Freunde, Gleichaltrige und natürlich professionelle Kräfte könnten durch aufmerksames Hinschauen und Zuhören helfen.

Nicht schweigen, weil man befürchtet, schlafende Hunde zu wecken, sondern das Thema offen ansprechen, rät Kamps. «Die eigenen Sorgen um den Betroffenen ohne Vorwürfe zur Sprache zu bringen, das öffnet Türen», hat die Oberärztin erfahren. Kamps setzt sich für einen Ausbau ambulanter kinder- und jugendpsychiatrischer Dienste ein, die auch zu den Jugendlichen nach Hause kommen. Sie könnten ein Netzwerk mit wirksamen Hilfsangeboten aufbauen. Dazu gehörten neben der Kinder- und Jugendpsychiatrie auch Kinderärzte und Lehrkräfte.

Pressestelle

Kann die Pressestelle etwas für Sie tun? Hier finden Sie den Kontakt zu uns.