Di, 27.08.2013Niedersachsen will gegen Missbrauch von Werkverträgen vorgehen - Caritas und Diakonie sprechen von einem «Moloch»

Niedersachsen will die Lebens- und Arbeitsbedingungen für Tausende Werkvertragsarbeiter aus Osteuropa verbessern. Die Menschen arbeiten auf Werften und Schlachthöfen im Akkord für einen Hungerlohn und wohnen oft in völlig überbelegten Wohnhäusern.

Hannover (epd). Niedersachsen will gegen den massenhaften Missbrauch von Werkverträgen für Arbeiter aus Osteuropa vorgehen. «Das ist die Spitze eines Eisbergs, den wir in fast allen Wirtschaftsbereichen und in allen Bundesländern sehen», sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Dienstag in Hannover. Er forderte das Bundesarbeitsministerium auf, «das Dunkelfeld ins Helle zu bringen».

Sozialverbände und Politiker kritisieren seit Wochen Dumpinglöhne und eine menschenunwürdige Unterbringung osteuropäischer Arbeiter. Vor wenigen Wochen waren zwei Werkvertragsarbeiter der Meyer-Werft im emsländischen Papenburg bei einem Brand in einer Unterkunft ums Leben gekommen.

Die Lebensumstände der Arbeiter glichen einem «Moloch, vor dem es einem grauen kann», sagte Nicola Dreke, die beim Diakonischen Werk Bremen an einem zweijährigen EU-Projekt «Gegen Menschenhandel und Arbeitsausbeutung» mitarbeitet. Sie berichtete am Dienstag in Vechta bei einem «Runden Tisch», zu dem die Caritas des Offizialatsbezirkes Oldenburg Vertreter der Fleischindustrie, Gewerkschaften und Kirchen eingeladen hatte.

Die Männer und Frauen lebten in einer Gemengelage «aus Hoffnung, sozialem Erfolgsdruck, Schulden, Isolation und Drohungen, aus dem man sich allein nicht wieder befreien kann». Aufgrund der mangelnden Deutschkenntnisse und Misstrauen gegenüber jeglichen Behörden führe dies schließlich zu einer Haltung des «Durchhaltens und Schweigens».

In Niedersachsen sollen künftig bauliche Mindestvorschriften für die Unterkünfte gelten. «Wir sind uns einig, dass die Missstände nicht tragbar sind», sagte Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD). So soll jeder Bewohner mindestens acht Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung haben. Die Unterkünfte müssen zudem gut erreichbar, beheizbar und gegen Kälte und Wärme gedämmt sein. Sie müssen über ein Telefon und Feuerlöscher verfügen. Wichtig seien zudem effektive Kontrollen, die zu Bußgeldern und auch zur Schließung einer Unterkunft führen könnten.

Durch eine Bundesratsinitiative will Niedersachsen erreichen, dass die Betriebsräte künftig Einspruch gegen den Missbrauch von Werkverträgen einlegen können, sagte Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD). Seit in der Leiharbeitsbranche ein Mindestlohn gelte, sei es zu einer regelrechten «Flucht» in Werkverträge gekommen, wo feste Summen für Leistungen vereinbart werden. Das beste Mittel gegen den Missbrauch von Werkverträgen sei deshalb ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn.

Ministerpräsident Weil betonte, nötig sei ein eng mit den Kommunen abgestimmtes Vorgehen. Weil sechs Landkreise im nordwestlichen Niedersachsen bei den Vorschriften einen eigenen Weg gegangen seien, sei es zu einem regelrechten «Tourismus» von Werkvertragsarbeitern in diese Region gekommen.

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