Mi, 11.07.2012Leitende EKD-Theologen warnen vor Bundeswehr-Sondergericht

Bremen/Berlin (epd). Leitende Theologen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) haben vor einer geplanten Sonderjustiz für die Bundeswehr gewarnt. Das widerspreche dem Leitbild des Bürgers in Uniform, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des EKD-Friedensbeauftragten Renke Brahms (Bremen) und des Militärbischofs Martin Dutzmann (Berlin) vom Dienstag. Die Bundesregierung plant im bayerischen Kempten eine Spezialstaatsanwaltschaft für die Bundeswehr. Kritiker wie die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz in Bremen sehen darin eine Wiedereinführung der Militärjustiz durch die Hintertür.

Der 15-seitige Gesetzentwurf für einen «Gerichtsstand bei besonderer Auslandsverwendung der Bundeswehr» ist derzeit in der parlamentarischen Beratung. Nach der Sommerpause am 26. September sollen im Rechtsausschuss des Bundestages Sachverständige gehört werden. Künftig, so die Vorstellung der schwarz-gelben Koalition, soll die Staatsanwaltschaft in Kempten/Allgäu für alle Straftaten zuständig sein, die deutsche Soldaten im Auslandseinsatz begehen.

Die Initiative geht auch auf einen Vorfall im August 2008 in Afghanistan zurück: Damals tötete ein Bundeswehrsoldat aus Frankfurt/Oder irrtümlich Zivilisten. Der Mann wurde an seinem Heimatort vor Gericht gestellt, das Verfahren später eingestellt. Der Bundeswehrverband kritisierte damals, die ermittelnde Staatsanwaltschaft habe die Situation eines Soldaten im Auslandseinsatz nicht beurteilen können. Die Befürworter des Gesetzentwurfs erhoffen sich nun mehr Expertise und eine schnellere Bearbeitung der Fälle.

Brahms und Dutzmann erkennen zwar das Bemühen der Bundesregierung an, sachkundige Juristen in Verfahren einzusetzen, die mit den Auslandseinsätzen der Soldaten zu tun haben. Trotzdem sollten sich Bundeswehrangehörige vor den selben Gerichten verantworten müssen wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger. Ihnen seien keine Fälle bekannt, in denen ein Gericht wegen mangelnder Bundeswehr-Kenntnis überfordert gewesen sei oder unverhältnismäßig viel Zeit für ein Urteil gebraucht habe.

Initiativen wie die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz formulieren ihre Kritik schärfer. Sie sehen in dem bundeszentral geplanten Gerichtsstand, auch wenn es ein ziviles Gericht sein soll, den Wiedereinstieg in eine neue deutsche Militärjustiz. Der Militärhistoriker Wolfram Wette wird vom «Spiegel» mit den Worten zitiert, er befürchte, dass in Kempten gezielt Staatsanwälte eingesetzt werden könnten, die militärnah seien.

Der Jurist und Historiker Helmut Kramer warnte vor einer Verfahrenskonzentration auf wenige Juristen, die faktisch immer nur mit der Bundeswehr und dort mit den immer gleichen Ansprechpartnern zu tun hätten. So werde «dasselbe Ziel erreicht wie mit einer echten Bundeswehrjustiz». Brahms und Dutzmann räumen in ihrer Erklärung zwar ein, der Gesetzentwurf sehe keine Militärjustiz im engeren Sinne vor, aber «einen Schritt in Richtung einer Spezialisierung und Trennung». Das aber sei «weder hilfreich noch notwendig».

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