Sa, 08.03.2014Konföderationssynode öffnet den Weg zu Tarifverträgen - Diakonie und Gewerkschaften einigen sich auf Zusammenarbeit


Von Jörg Nielsen (epd)

Die Diakonie in Niedersachsen und die Gewerkschaften haben sich auf ein neues Modell im Arbeitsrecht geeinigt. Der Kompromiss nennt sich «kirchenrechtlich legitimierte Tarifverträge». Die Synode der Kirchenkonföderation machte den Weg dafür frei.

Hannover (epd). Die Synode der fünf evangelischen Kirchen in Niedersachsen hat am Sonnabend in Hannover ein neues Arbeitsrechtsmodell für rund 30.000 Beschäftigte in der Diakonie verabschiedet. Es könnte bundesweit zum Vorbild werden. Das Bundesarbeitsgericht hatte 2012 in einem Grundsatzurteil das traditionelle kirchliche Arbeitsrecht bestätigt, zugleich aber den Gewerkschaften ein stärkeres Mitspracherecht zugestanden. In Niedersachsen haben sich nun erstmals nach dem Urteil beide Seiten auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt. Das Zauberwort lautet «kirchenrechtlich legitimierte Tarifverträge».

Bisher wurden die Gehälter in der Diakonie auf dem sogenannten Dritten Weg ausgehandelt. Dabei saßen Mitarbeitervertreter und Arbeitgeber in einer paritätisch besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission. Doch 2011 verließen die Mitarbeitervertreter die Kommission und forderten Tarifverträge, wie sie in anderen Branchen üblich sind. Es entbrannte ein ideologischer Streit, der sich vor allem am Streikrecht festmachte. Nach dem kirchlichen Arbeitsrecht darf weder gestreikt noch ausgesperrt werden. Die Arbeitnehmer sahen sich eines Arbeitskampfmittels beraubt.

Nachdem die Synode nun den kirchenrechtlich legitimierten Tarifverträgen zugestimmt hat, beginnt zumindest in Niedersachsen eine neue Ära im kirchlichen Arbeitsrecht. Künftig werden der Diakonische Dienstgeberverband als Arbeitgeberverband auf der einen Seite und die Gewerkschaften ver.di und Marburger Bund auf der anderen Seite auf Augenhöhe verhandeln. Zur Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen gehören die Kirchen von Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Schaumburg-Lippe sowie die Evangelisch-reformierte Kirche.

Auch der stellvertretende Direktor der Diakonie in Niedersachsen, Jörg Antoine, begrüßt die Entwicklung: «Statt ideologischer Konflikte haben wir nun einen praktischen Kompromiss.» Darin verpflichten sich die Kirchen auf eine Flächenbindung, und ver.di akzeptiert die kirchenrechtlich legitimierten Tarifverträge. Alle Einrichtungen der Diakonie, in denen bisher das Arbeitsrecht der Konföderation gilt, müssen diese Tarife dann anwenden. Das bedeutet konkret: «Wer die kirchenrechtlich legitimierten Tarifverträge nicht anwendet, muss aus der Diakonie austreten», unterstreicht Antoine.

Aber Antoine will noch mehr. Sein Ziel ist ein Flächentarifvertrag Soziales für Niedersachsen, der dann für alle Anbieter sozialer Dienstleistungen verbindlich wäre. Also auch für die anderen Wohlfahrtsverbände, wie dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Roten Kreuz oder der Arbeiterwohlfahrt. Auch die privaten Pflegeanbieter müssten sich dann an den Flächentarifvertrag halten. Landesweit arbeiten rund 425.000 Menschen in der Sozialbranche.

In dem Konflikt ging es nie um die Höhe der Gehälter, sagt Antoine. Dass insbesondere die Pflegekräfte besser bezahlt werden müssten, sei ein Anliegen beider Seiten.

«Es war leider ein ideologischer Streit», resümiert er. Formell verzichte die Gewerkschaft weiterhin nicht auf das Streikrecht. Allerdings haben sich beide Seiten auf ein Schlichtungsverfahren geeinigt, bei dem die Arbeitgeber verpflichtet sind, eine angenommene Schlichtungsempfehlung in einen Tarifvertrag mit den Gewerkschaften umzusetzen.

Auch die für Kirchenfragen zuständige ver.di-Vertreterin Annette Klausing begrüßt die Einigung: «und zwar auf ganzer Linie». In kirchengeschichtlichen Maßstäben gemessen sei der Kompromiss geradezu «rasend schnell» zustande gekommen. Der Weg sei nun frei für Tarifverträge.


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