Do, 06.03.2014Klares Ja oder Nein - Evangelische Kirche erlebt Polarisierung ihrer Mitglieder

Die «Vererbung» von Religion ist nicht mehr selbstverständlich. Die evangelische Kirche spürt die Folgen. Rund um einem stabilen Kern Engagierter steigt der Anteil der Mitglieder deutlich, die mit Kirche wenig anfangen können.

Berlin/Hannover (epd). Von Generation zu Generation verliert die evangelische Kirche an Bedeutung - selbst bei den eigenen Mitgliedern. Wie aus einer am Donnerstag in Berlin vorgestellten Untersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hervorgeht, sinkt nicht nur die Zahl der Kirchenmitglieder kontinuierlich. Es wächst auch die Gruppe derjenigen Menschen, die zwar der Kirche angehören, sich ihr aber kaum oder gar nicht verbunden fühlen.

Nach den Ergebnissen der 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung fühlen sich 32 Prozent der Protestanten in Deutschland der Kirche allenfalls sehr schwach verbunden. 15 Prozent gaben an, der evangelischen Kirche sehr verbunden zu sein. Bei der Mitgliedschaftsuntersuchung von 1992 hatten sich lediglich 27 Prozent als kaum oder gar nicht verbunden eingeschätzt. Allerdings war damals auch der Anteil der sehr Verbundenen noch geringer und lag bei elf Prozent. Es wüchsen die Extreme, das Mittelfeld der immerhin noch schwach Verbundenen dünne aus, sagte der Religionssoziologe Detlef Pollack.

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider äußerte sich bei der Vorstellung der Ergebnisse besorgt: «Wir müssen ganz nüchtern konstatieren, dass es eine zunehmende Indifferenz bei Kirchenmitgliedern gibt.» Das müsse Anlass sein, sich ernsthaft mit der Situation auseinanderzusetzen.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung sagte, Mitglied einer Kirche zu sein, werde zunehmend zur Frage «eines klaren Ja oder Nein». Die Kirche müsse versuchen, diese Polarisierung zu verstehen. Die zunehmende Zahl der Kirchenfernen sei nicht von kontroverser Auseinandersetzung und Abgrenzung geprägt, «sondern von nahezu vollständiger Gleichgültigkeit», sagte Jung.

Gleichzeitig betonten die Geistlichen das Wachsen an der anderen Seite der Skala, auf der sich immer mehr hochverbundene Mitglieder finden. «Drei von vier Mitgliedern denken nicht daran, unsere Kirche zu verlassen», unterstrich Schneider.

Einen Kirchenaustritt lehnen nach der aktuellen Studie inzwischen 73 Prozent der Protestanten ab, 1992 waren es nur 55 Prozent. Pollack wies allerdings auch hierbei auf das Wachsen des anderen Extrems hin: Während vor 10 bis 20 Jahren nur eine kleine Gruppe von zwei bis vier Prozent angegeben habe, bald aus der Kirche austreten zu wollen, «sind wir jetzt bei acht Prozent», sagte Pollack, der zum Beirat der Untersuchung gehört.

Als Grund für das Wachsen der Gruppe der kirchenfernen Mitglieder nennt die Studie, dass eine religiöse Erziehung auch in protestantischen Familien nicht mehr die Regel ist. Von den Evangelischen ab 60 Jahren wurden nach eigenen Angaben etwa 83 Prozent religiös erzogen. Von den Kirchenmitgliedern unter 30 Jahren sagen das nur noch 55 Prozent.

«Religiöse Sozialisation erfolgt in der Familie. Doch die Weitergabe des Glaubens von Generation zu Generation ist keine Selbstverständlichkeit mehr», sagte Gerhard Wegner, Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD in Hannover, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bestärkt durch die Untersuchung sehen sich die evangelischen Medienhäuser. Laut den Ergebnissen sei die wöchentliche Kirchenzeitung nach der Tageszeitung und dem Gemeindebrief die drittwichtigste Informationsquelle über die evangelische Kirche, betonte der Geschäftsführer des Lutherischen Verlagshauses in Hannover, Christof Vetter. Er ist auch Vorsitzender des Evangelischen Medienverbands in Deutschland (EMVD).

Für die Untersuchung hat das Emnid-Institut Ende 2012 insgesamt 2.016 Protestanten und 1.011 Konfessionslose befragt. Die evangelische Kirche legt seit 1972 im Abstand von jeweils zehn Jahren umfassende Mitgliederstudien vor. Ende 2012 gehörten 23,4 Millionen Menschen den evangelischen Landeskirchen an. 24,3 Millionen Einwohner Deutschlands waren Katholiken. Fünf Jahre zuvor waren noch 24,8 Millionen Menschen Mitglied der evangelischen und 25,5 Millionen der römisch-katholischen Kirche.

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