Mi, 09.01.2013Katholische Kirche kündigt Zusammenarbeit bei Studie über Missbrauch auf - Bischöfe haben kein Vertrauen mehr zum Kriminologen Pfeiffer

Hannover/München (epd). Ein großangelegtes Forschungsprojekt zum Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche gerät ins Stocken. Wie die katholische Deutsche Bischofskonferenz am Mittwoch bestätigte, wollen die deutschen Bischöfe die Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen aufkündigen, das mit der Untersuchung beauftragt worden war, und sich einen neuen Partner zur Weiterführung des Projekts suchen. Grund sei das zerrüttete Vertrauensverhältnis zum Leiter des Projekts, dem Kriminologen Christian Pfeiffer, sagte der Missbrauchsbeauftragte, der Trierer Bischof Stephan Ackermann.

Institutsdirektor Christian Pfeiffer hatte zuvor schwere Vorwürfe gegen die katholische Kirche erhoben. Der «Süddeutschen Zeitung» (Mittwochsausgabe) sagte er, das Projekt sei «an den Zensur- und Kontrollwünschen der Kirche gescheitert». Entgegen der ursprünglichen Vereinbarung habe die Kirche darauf beharrt, über die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse sowie über die Auswahl der beteiligten Mitarbeiter mitbestimmen zu dürfen.

Bischof Ackermann beklagte das Kommunikationsverhalten von Pfeiffer, das der weiteren Zusammenarbeit die Vertrauensgrundlage entzogen habe. «Vertrauen ist aber für ein so umfangreiches und sensibles Projekt unverzichtbar», sagte der Trierer Bischof. Der Vertrag mit dem Institut in Hannover sei am Mittwoch mit sofortiger Wirkung gekündigt worden. Noch nicht benötigte Forschungsgelder sollen zurückgefordert werden.

Die Untersuchung sollte die Fälle sexueller Übergriffe von Priestern und weiteren Kirchenangehörigen seit dem Jahr 1945 aufarbeiten. Der Verband der Diözesen und das Forschungsinstitut hatten im Juli 2011 das Projekt vertraglich vereinbart. Es war auf drei Jahre angelegt. Akten aller Diözesen sollten auf Missbrauchsfälle untersucht und sämtliche Opfer schriftlich befragt werden. Auch Interviews mit Tätern waren vorgesehen.

Nach dem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» gab es allerdings Kritik aus den Reihen der Priester an der Vorgehensweise des Instituts. Daraufhin habe der Verband der Diözesen Änderungen an den Vereinbarungen verlangt. So habe die Kirche darüber bestimmen wollen, ob die Ergebnisse überhaupt veröffentlicht werden dürfen.

Pfeiffer kritisierte, dies sei «unvereinbar mit der Freiheit wissenschaftlicher Forschung». Dem Institutsdirektor liegen laut «Süddeutscher Zeitung» auch Hinweise aus der Kirche vor, dass in mehreren Diözesen Missbrauchsakten vernichtet worden seien.

Der Geschäftsführer des Verbandes der Diözesen, Hans Langendörfer, widersprach dieser Darstellung. «Für eine Vernichtung von Täterakten habe ich keinerlei Anhaltspunkte», sagte er. Das Projekt sei unter anderem an offenen Fragen des Datenschutzes gescheitert, etwa wie man personenbezogene Daten von Opfern und Tätern anonymisiere. Im Streit um die Veröffentlichung der Ergebnisse habe sich die Kirche kompromissbereit gezeigt, sagte Langendörfer.

Ackermann kündigte an, in den kommenden Wochen werde es Gespräche über einen anderen Partner für das Forschungsprojekt geben. Er erinnerte daran, dass die Bischöfe im Frühjahr 2010 nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle im kirchlichen Bereich einen Maßnahmenkatalog verabschiedet hatten. Neben der Telefon-Hotline, der Überarbeitung der Leitlinien im Umgang mit dem Thema, der Mitarbeit am Runden Tisch, Präventionsmaßnahmen sowie der materiellen Entschädigung gehörten dazu auch zwei wissenschaftliche Projekte.
Bereits im Dezember waren die Ergebnisse einer Analyse forensicher Gutachten zu den betroffenen Priestern veröffentlicht worden. Dies zeige, dass die Kirche sich um eine transparente Aufarbeitung bemühe, sagte der Trierer Bischof.

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