Mo, 23.09.2013Islam-Experten: Salafismus in Deutschland besser erforschen

epd-Gespräch: Martina Schwager 

Osnabrück (epd). Die Islam-Experten Rauf Ceylan und Michael Kiefer haben eine wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit dem Salafismus in Deutschland gefordert. Sie sei die Voraussetzung für eine dringend erforderliche Präventionsarbeit mit Jugendlichen in Schulen, Vereinen, Beratungsstellen und Moscheegemeinden, sagten die Osnabrücker Wissenschaftler am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Beide haben gerade ein gemeinsames Buch über den Salafismus herausgebracht.

Seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2011 werde der radikal-islamische Fundamentalismus verstärkt von Polizei und Verfassungsschutz bekämpft. «Grundlagenforschung und Vorbeugung kommen deutlich zu kurz», bemängelte Kiefer. Die Experten plädieren deshalb dafür, eine interdisziplinäre Forschungsstelle an der Universität Osnabrück einzurichten.

Dort sollten etwa Soziologen, Kriminologen und Religionspädagogen konkrete Strategien für die Arbeit mit Jugendlichen entwickeln. Viele Eltern, Lehrer, Sozialpädagogen und auch Imame seien schlicht überfordert, wenn sie radikalisierten Jugendlichen begegneten.

Ceylan erhält als bundesweit anerkannter Religionspädagoge und Salafismus-Experte immer wieder Hilferufe. So berichtete ihm eine Hamburger Lehrerin für evangelische Religion von ihrer Schule in einem sozialen Brennpunkt. Eine Gruppe älterer Schüler gefährde den Frieden in der Klasse durch offen zur Schau gestellten Salafismus. «Ich weiß nicht weiter. An wen kann ich mich wenden?»

Ceylan und Kiefer machen mit ihrem Buch «Salafismus - Fundamentalistische Strömungen und Radikalisierungsprävention» auf diesen Mangel aufmerksam. Sie liefern zugleich einen geschichtlichen Abriss über die religiös-politischen Orientierungen des Islam und analysieren den derzeit in Deutschland immer stärker werdenden sogenannten Neo-Salafismus.

Die Politik habe es bei der Konzentration auf die sicherheitspolitischen Aspekte versäumt, die Wurzeln und die verschiedenen Strömungen des Salafismus wissenschaftlich durchleuchten zu lassen. «Längst nicht alle Salafisten sind missionarisch orientiert und gewaltbereit», betonte Kiefer. Es gebe nicht einmal Zahlen darüber, wie viele Salafisten in Deutschland lebten und wer welcher Richtung zuzuordnen sei.

Überdurchschnittlich viele Salafisten seien vom Christentum konvertierte Deutsche. Deshalb dürfe sich die Präventionsarbeit nicht vordergründig oder gar ausschließlich auf die Migrantenorganisationen beziehen, mahnte Ceylan. Warum und wie Jugendliche sich radikalisierten und wo Pädagogen einhaken müssen, sei jedoch ebenfalls nicht hinreichend untersucht. «Wir wissen, dass ältere Brüder oft jüngere animieren, dass es überwiegend ein männliches und ein junges Phänomen ist und dass das Internet eine große Rolle spielt.»


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