So, 16.12.2012Im Kloster bleibt das Smartphone aus

Millionen Fernsehzuschauer kennen Pastorin Nora Steen als Sprecherin des «Wort zum Sonntag». Beruflich geht die 36-Jährige nun andere Wege. Im Kloster Wülfinghausen leitet sie künftig das «Haus der Stille», wo Besucher das Schweigen lernen.

Wülfinghausen/Reg. Hannover (epd). Vor einem Millionenpublikum spricht Nora Steen regelmäßig das «Wort zum Sonntag» im Fernsehen. Wenn die 36-jährige Pastorin allerdings ihren neuen Arbeitsplatz betritt, ist sie aber erstmal nicht mehr erreichbar. «Die Klostermauern sind so dick, da gibt es keinen Handyempfang.» Am Sonntag wurde sie im evangelischen Kloster Wülfinghausen bei Hannover als neue Leiterin des «Hauses der Stille» in ihr Amt eingeführt.

Seit 1994 können Menschen weitab vom Lärm der Stadt für eine bestimmte Zeit in dem Kloster leben oder sich in Seminaren im Schweigen üben. Das «Haus der Stille» ist Teil des Klosters mit derzeit drei Ordensschwestern. Die Communität ist aus der Christusbruderschaft Selbitz hervorgegangen. «Ich finde es wundervoll, nicht zu reden», sagt Steen. Durch die vielen Worte vergesse man oft das Zuhören.

Seit Oktober plant die Pastorin gemeinsam mit Schwestern des Klosters Seminare für das kommende Jahr. Besucher können eine Woche mit Reiten verbringen und dabei ihren Lebensfragen nachgehen.
Gestresste Manager und Führungskräfte können in der Stille entspannen und vor allem erstmal schlafen, sagt Steen. «Sie haben dann vielleicht einfach mal einen Tag ihr Smartphone aus.»

Täglich erreichen die Pastorin neue Anfragen, besonders häufig von Menschen, die im Alltag nichts mit dem christlichen Glauben verbindet. «Klöster sind en vogue», sagt Steen. Auch wenn das Leben im Kloster zunächst eng erscheine, habe es ein sehr klares und einfaches Profil. «Damit kann man sich anfreunden oder streiten.»

Der Klosteralltag ist geprägt von drei Gebetszeiten in der romanischen Krypta. Das beheizte Gewölbe mit seinen dicken Natursteinmauern ist der älteste Ort des 1236 gegründeten Augustinerinnenklosters. In einigen Nischen laden kleine Bänke auf Wollteppichen dazu ein, sich niederzulassen. Davor stehen Tannenzweige in einer Vase und liegen vereinzelt Steine. Besucher können dort in aller Stille eine Kerze anzünden und Kraft tanken.

In Zukunft möchte die Pastorin noch mehr junge Menschen für die Angebote im Kloster begeistern. Erst kürzlich hat sie eine Studentengruppe im Kloster betreut. Diese hatten zunächst Schwierigkeiten, auch bei den Mahlzeiten nicht zu reden, erzählt Steen. «Manche wollten auch direkt wieder fahren.» Doch der öffentliche Bus in die Stadt fährt nur selten. Am Ende habe allen die Auszeit vom Studium gut getan.

Steen ist die erste in diesem Amt, die nicht mit im Kloster lebt.
Von den über 60-jährigen Schwestern sei sie offen aufgenommen worden.
«Uns alle verbindet die Liebe zu diesem Ort», sagt Steen, die während ihres Theologiestudiums das erste Mal in Wülfinghausen war. Der Blick von außen helfe ihr sicher, die Bedürfnisse der Menschen besser zu verstehen, sagt die gebürtige Braunschweigerin, die derzeit mit ihrer Familie in Hildesheim lebt.

Trotz der stillen Zeiten, erlebt Steen das Kloster als einen lebendigen Ort. Da alle Entscheidungen im Team getroffen werden, gibt es mit den Schwestern viel zu besprechen. Wenn die Pastorin selbst eine Auszeit braucht, wandert sie gerne schweigend über umliegenden Felder und durch die Wälder. «Dazu ist in den Städten ja gar kein Raum mehr.»

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