Mo, 11.10.2010«Ich gehöre zum Hartz-IV-Pack» - Rund 3.000 Menschen demonstrieren in Oldenburg für höhere Regelsätze

Oldenburg (epd). Trotz seines Krückstockes humpelt Dirk Calies aus Edewecht bei Oldenburg dem Demonstrationszug hinterher. Seit der gelernte Baumaschinen-Führer vor vier Jahren bei einem Unfall angefahren wurde, ist er schwerbehindert. «Jetzt muss ich von Hartz-IV leben. Für die da oben bin ich kein Mensch mehr. Für die gehöre ich nur noch zum Hartz-IV-Pack und muss von 300 Euro im Monat überleben», sagt der 42-Jährige verbittert.

Gemeinsam mit knapp 3.000 Menschen aus ganz Deutschland demonstriert er an diesem Sonntag in der Oldenburger Innenstadt für höhere Hartz-IV-Sätze. Unter dem Motto «Krach schlagen statt Kohldampf schieben» veranstalten sie einen infernalischen Lärm mit leeren Kochtöpfen, Deckeln und Löffeln.

Auf vielen Plakaten machen die Demonstranten ihrem Ärger über die geplante Erhöhung der Regelsätze um lediglich fünf Euro Luft: «Hartz-IV heißt heute stirb langsam 5» heißt es dort und «Hartz I, II, III, IV ist Scheiß hoch 5». Ein anderes Plakat fragt «Suppe oder Socken?»

«Wir schlagen Krach, damit man uns zuhört», sagt eine Frau aus Dortmund. «Ich bin 52 und gelte als schwer vermittelbar.» Zwanzig Jahre lang habe sie in dem gleichen Betrieb gearbeitet. Als die Firma Pleite ging, wurde sie arbeitslos. «Ich kann mir schon lange nicht mehr kaufen, was ich brauche. Nur noch das, was ich mir leisten kann.»

Richtig wütend ist die Frau auf den FDP-Abgeordneten Roland Riese im niedersächsischen Landtag. Riese hatte bei einer Podiumsdiskussion am Sonnabend in Oldenburg gesagt, er könnte mit 1.100 Euro monatlich für Leben und Miete zusammen mit seiner Ehefrau über die Runden kommen. «Das soll er mir mal ein Jahr lang vormachen. Über die Runden kommen? Klar. Aber leben - nee!»

Auch Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum Deutschland aus Berlin findet deutliche Worte: «Die Gesellschaft muss endlich erkennen, dass die Hartz-IV-Bezieher keiner asozialen und faulen Randgruppe angehören, sondern zum größten Teil aus der Mittelschicht kommen.» Sie seien in den allermeisten Fällen unverschuldet arbeitslos geworden und binnen kürzester Zeit in die Armut abgerutscht. «Das kann heute jeden treffen.»

Die geplante Erhöhung des Sätze um fünf Euro sei eine Verhöhnung der Menschen, schimpft Behrsing. «Die Regierung behandelt doch die mehr als fünf Millionen Hartz-IV-Bezieher wie den letzten Dreck.» Er fordert eine öffentliche Diskussion darüber, was ein Mensch in Deutschland für ein menschenwürdiges Leben braucht.

Hermann Meyer aus Bremen ist schon seit ein paar Jahren im Ruhestand. Er ist trotz seiner «ordentlichen Rente» zu der Demonstration gekommen: «Das geht uns schließlich alle an. Auch meine Enkel und Urenkel sollen vernünftig leben können.» Er trägt ein Schild mit der Aufschrift: «Sozialstaat hieß früher Wohlstand für alle».

Pressestelle

Kann die Pressestelle etwas für Sie tun? Hier finden Sie den Kontakt zu uns.