Sa, 17.08.2013Getrübtes Idyll - Im Örtchen Vietze leiden Bewohner besonders unter den Folgen der Elbeflut in Niedersachsen


Von Karen Miether (epd)

Mehr als zwei Monate nach der verheerenden Elbeflut ist der Fluss in Niedersachsen wieder in seinem Bett. Die Schäden aber zeigen sich vielerorts erst jetzt.

Vietze/Kr. Lüchow-Dannenberg (epd). Marlene Harder blickt von ihrer Terrasse über eine Auenlandschaft auf die Elbe. Ein Idyll, das getrübt ist, seit der Fluss bei der Flut im Juni im Erdgeschoss ihres Hauses im niedersächsischen Vietze stand. «Die Schäden werden einem jetzt erst bewusst», sagt sie. Allein in ihrem Wohnzimmer dröhnen seit Wochen vier Luftentfeuchter Tag und Nacht. Das zehrt an den Nerven - und erst die Stromrechnung. Harder schlägt nur die Hände vor dem Gesicht zusammen.

Emsig bemüht sich die Witwe gemeinsam mit Handwerkern, ihr Haus wieder wohnlich zu machen. Gerade kalkt sie den Keller. «Ich habe überlegt, nicht wieder einzuziehen. Ich hab gedacht, ich schaff das nicht.» Jetzt fasst sie langsam wieder Mut - auch Dank vieler Helfer. Mit zwei Gottesdiensten wollen die beiden evangelischen Kirchenkreise an der niedersächsischen Elbe am Sonntag noch einmal den Unterstützern Dank sagen. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister ist dabei in Hitzacker und in Bleckede zu Gast.

Kaum ein Ort in Niedersachsen war so von der Flut betroffen wie Vietze im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Das Dorf hat keinen regulären Hochwasserschutz. Am 10. Juni kippte ein Notdeich zusammen. «Das Wasser schoss, als hätte man zehn Hydranten aufgedreht», sagt Herbert Holm. Auch er wohnt direkt an der Elbe. Im Garten der Familie hat das Wasser Beete mit Erbsen, Erdbeeren und Zwiebeln verwüstet.

500 Gläser Eingemachtes begrub der Lehm aus der abgesackten Kellerdecke unter sich. Das hat Herbert Holm und seine Frau Brigitte bis in ihre Träume verfolgt. Das Rentnerehepaar versorgt sich weitgehend selbst mit Obst und Gemüse, doch in diesem Jahr ist das nicht möglich. Die Holms haben ebenfalls viel Hilfsbereitschaft erfahren. Auch die Spendenbereitschaft sei enorm, sagt Susanne von Imhoff.

Die 68-Jährige ist Kirchenvorsteherin und Gemeinderätin in Vietze. Sie verteilt unbürokratisch das Geld, das die Kirche vor Ort aus ganz Deutschland bekommen hat. Etwa 16.000 Euro hat sie schon an die Flutopfer ausgegeben. «Wir haben schnell gehandelt, bevor der Schock sich weiter ausweitet», sagt sie. Viele seien nicht versichert gewesen, zum Teil, weil die Gesellschaften die Bewohner gefährdeter Lagen nicht aufnehmen wollten.

Auch die Kirchengemeinde muss einen immensen Schaden verkraften. Bis zu einem Meter hoch stand das Wasser auf dem Friedhof und flutete in die Feldsteinkapelle aus dem Jahr 1100. Gräber sind abgesackt, Steine wurden schief gedrückt. In der Kapelle sind die Bänke noch immer aufgebockt, Altar und Kanzel in Schutzhüllen verpackt. Bau-, Denkmals-, und Schimmelexperten waren bereits am Werk. Doch wieder wachsen drei faustgroße Pilze aus der Wand.

Die Flutfolgen sind noch lange nicht bewältigt. Rund sechs Millionen Euro wird es allein kosten, Deiche und Zuwege im Deichverband Artlenburg - einem von fünf an der niedersächsischen Elbe - herzurichten und Unmengen von Sandsäcken zu entsorgen, sagt Geschäftsführer Norbert Thiemann. Das Umweltministerium wertet zurzeit die Daten der Verbände aus - um die Gesamtkosten zu ermitteln und zu entscheiden, wie Fördermittel verteilt werden.

Selbst dort, wo es trocken war, geht die Flut ins Geld - wie in Hitzacker, das durch eine moderne Hochwasseranlage geschützt blieb. Gäste hätten bereits gebuchte Ferienwohnungen storniert, sagt Ursula Fallapp vom Marketing der Samtgemeinde Elbtalaue. «Manche Gastronomen sprechen von Umsatzeinbußen, die bei 90 Prozent liegen.» Marketingleute und Kommunalpolitiker hätten daraufhin die Werbung verstärkt. Jetzt kämen die Touristen zurück.

In Vietze wird wieder über den Hochwasserschutz diskutiert. Marlene Harder ist zwar auch deshalb von Hamburg wieder in ihren Heimatort gezogen, weil der Elbblick sie lockte. Dennoch ist sie für einen Damm, auch wenn dieser die Sicht versperren würde - genauso wie die Holms: «Hauptsache sicher.»


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