Mi, 18.03.2009Gefahr der Energiesperre für einkommensschwache Haushalte sehr hoch

Gemeinsame Erklärung von Caritas und Diakonie:
Die Zahl der Menschen, auch in Niedersachsen, die ihre Strom- und Heizkosten nicht mehr bezahlen können, ist groß. Die Zahl der Betroffenen wächst rasant. Deutschlandweit sperren Strom- und Gasversorger jährlich über zwei Prozent der Anschlüsse. Betroffen sind pro Jahr rund 840.000 Haushalte.1

Tatsache ist: Durch den sinkenden Ölpreis werden zeitverzögert auch die Gaspreise sinken. Tatsache ist aber auch, dass bedingt durch die steigenden Strompreise keine gravierenden Entlastungen im Jahr 2009 eintreten werden. Ingesamt ist festzustellen, dass sich die Energiekosten für Privathaushalte in den letzten Jahren deutlich erhöht haben. Dies belegen auch Berechnungen der Wohlfahrtsverbände.

Besonders hart trifft dies Familien mit Kindern, Alleinstehende mit niedrigen Einkommen sowie Menschen, die von sozialen Transferleistungen leben, wie etwa Arbeitslosengeld II (ALG II) nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) oder Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch XII (SGB XII). Insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen verfügen selten über Reserven, um derartige Preissteigerungen auffangen zu können.

Die Gefahr einer Energiesperre für diese Personen ist sehr hoch.

Folgen für die betroffenen Menschen sind: Wer nicht angemessen heizen und kochen kann, dem drohen vor allem gesundheitliche Beeinträchtigungen. Ferner die Gefahr sozialer Isolation, da niemand in seine kalte Wohnung einlädt. Wer den Strom nicht bezahlen kann und von der Strombelieferung ausgeschlossen wird, ist nicht in der Lage, sein Leben unter normalen Bedingungen weiter zu führen. Energiesperren deuten häufig auf eine Überschuldungsproblematik hin. Neben Mietschulden sind Energierückstände eine der Hauptursachen für Wohnungsverlust.

Im SGB II und SGB XII sind die Kosten für die Haushaltsenergie (Strom und Gas) in der Regelleistung nur pauschaliert enthalten.

Beispiel für einen Alleinstehendenhaushalt: Der Anteil, der für Strom im Eckregelsatz (derzeit 351 Euro) vorgesehen ist, beträgt aktuell 15,50 Euro (ohne Warmwasser). Nach Abzug der monatlichen bzw. jährlichen Grundgebühr können hiervon etwa 590 Kilowattstunden Strom pro Jahr finanziert werden. Seit 2003 wurde der Regelsatzes lediglich um 1,74 Prozent erhöht. Der Strompreis entwickelte sich jedoch von durchschnittlich 0,1267 Euro pro Kilowattstunde im Jahr 2003 auf durchschnittlich 0,1433 Euro im Jahr 2007 und erhöhte sich damit um 15,79 Prozent.2 In der Regel reicht dieser Anteil nicht, um die tatsächlichen Stromkosten zu decken.

Dies bedeutet: Für die betroffenen Menschen darf Energie nicht zum Luxusgut werden. Caritas und Diakonie befürchten, dass sonst in absehbarer Zeit in vielen einkommensschwachen Haushalten „die Lichter ausgehen“. Insbesondere für Familien und Alleinerziehende mit mehreren Kindern ist der Zugang zur regelmäßigen Energieversorgung lebensnotwendig. Niemand darf davon ausgeschlossen sein. Caritas und Diakonie fordern deshalb ein abgestimmtes und differenziertes Maßnahmenbündel zur Verhinderung von Energiearmut:

Unter Federführung bzw. Koordination durch das Sozialministerium sollten umgehend so genannte Energiekonferenzen auf Landes- und Regionalebene einberufen werden. Zu beteiligende Akteure sind die Energieversorger, Wohlfahrtsverbände, Argen und Kommunen.

Aufgabe der Energiekonferenzen ist es:

- Die tatsächlichen, regional bedingten Energiekosten festzustellen

- Praxistaugliche Sozialtarife  zu vereinbaren

- Die Übernahme der tatsächlichen Energiekosten durch die SGB-II und SGB-XII-Leistungsträger zu vereinbaren

- Maßnahmen für Energieprävention, etwa Energiespar-Serviceangebote mit den Betroffenen zu entwickeln und anzubieten

 -Konzepte zur Vermeidung von Energiesperren und Konsequenzen aus Energieschulden zu entwickeln (analog zum Verfahren bei Zwangsräumungen)

 -Entwicklung von Ratenzahlungsangeboten, die den Einkommensverhältnissen der betroffenen Menschen entsprechen

Für Caritas und Diakonie ist das Thema Energie von grundlegender ethischer Bedeutung. Die zunehmende Spaltung in unserer Gesellschaft darf nicht dazu führen, dass die einen in Licht und Wärme sitzen, während es für die anderen darum geht, zu frieren, im Dunklen zu sitzen oder sich keine warmen Mahlzeiten leisten zu können.

Dr. Hans-Jürgen Marcus, Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Hildesheim, Dr. Christoph Künkel, Diakonisches Werk der Landeskirche Hannovers

Quellen:
1) Befragung von Führungskräften von Stadtwerken durch die Hanseatische Inkasso Treuhand (HIT) und Unternehmensberatung Nordsan 2) Eurostat; Grundlage ist ein privater Haushalt, Jahresverbrauch 3.500 kWh, darunter Nachtstrom 1.300 kWh.

 


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