Do, 06.11.2014Fünf Jahre nach Enke-Suizid: Depression im Leistungssport kein Tabu mehr

Hannover/Aachen (epd). Fünf Jahre nach dem Tod des Fußball-Torhüters Robert Enke ist Depression im Leistungssport nach Ansicht des Aachener Psychologen und Psychiaters Frank Schneider kein Tabu-Thema mehr. «Der Suizid von Robert Enke hat viele Dinge umgekehrt», sagte Schneider am Donnerstag im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Heute sei es gut möglich, auch im Leistungssport über Depression und andere psychische Erkrankungen zu sprechen. Am 10. November 2009 hatte sich der weitgehend unbemerkt unter Depressionen leidende Enke mit 32 Jahren das Leben genommen.

Danach sei die Aufmerksamkeit für Menschen mit psychischen Erkrankungen in den vergangenen fünf Jahren deutlich stärker geworden, sagte Schneider. Er sehe «eine sehr positive Entwicklung, wonach nicht nur die Betroffenen und die Angehörigen selbst, sondern auch Funktionäre von Vereinen und Verbänden oder Trainer sehr viel offener mit dem Thema umgehen». So habe die Robert-Enke-Stiftung, die auch vom Deutschen Fußballbund getragen werde, an der Universitätsklinik Aachen eine telefonische Hotline für Betroffene geschaltet. Dazu kämen viele andere Initiativen.

Depressionen könnten wie jede andere schwere Krankheit bei Leistungssportlern zwar weiterhin Grund für einen Karriereknick sein. «Das Eingeständnis einer Depression ist dies aber nicht mehr», betonte Schneider. Er verwies auf den Torwart von Hannover 96, Markus Miller, der an einer Depression erkrankt sei und nach kurzer Zeit wieder auf dem Spielfeld gestanden habe.

Schneider zufolge führt Leistungsdruck im Profisport nicht automatisch zu Depressionen. Solche Erkrankungen hätten viele Ursachen, besonders biologische und psychosoziale. Zwar benötige der Ausbruch einer Depression neben einer Veranlagung immer auch ein besonderes Maß an Stress. Leistungsdruck gebe es aber in vielen Bereichen, auch außerhalb des Sports. Viele Menschen hätten einen sehr hohen Leistungsdruck, ohne krank zu werden. «Eine Eins-zu-Eins-Beziehung besteht hier sicherlich nicht», sagte Schneider.

Frank Schneider (56) ist Professor für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Aachen. Er gehört auch zum Kuratorium der Robert-Enke-Stiftung. Innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde gründete er das Referat «Sportpsychiatrie und -psychotherapie».

Erst in diesem Sommer hatte sich auch der unter Depressionen leidende Fußballer Andreas Biermann im Alter von 33 Jahren das Leben genommen. Der frühere Profi des FC St. Pauli hatte sich nach dem Suizid von Robert Enke öffentlich zu seiner Krankheit bekannt.

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