Di, 22.11.2011Frühere Heimkinder kritisieren Auszeichnung von Antje Vollmer

Osnabrück/Bochum (epd). Unter ehemaligen Heimkindern, die von 1945 bis 1975 unter Demütigungen, Gewalt und Missbrauch gelitten haben, wächst die Kritik an der Verleihung des Hans-Ehrenberg-Preises an die ehemalige Leiterin des Runden Tisches Heimerziehung, Antje Vollmer. «Ich kann die Empörung verstehen. Von Versöhnung mit den Opfern kann man nicht sprechen», sagte Jürgen Beverförden, Sprecher ehemaliger Heimkinder in Niedersachsen, der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstagausgabe).

Die frühere Bundestagsvizepräsidentin habe dafür gesorgt, dass die Begriffe Zwangsarbeit und Menschenrechtsverletzungen nicht im Abschlussbericht aufgetaucht seien. Dadurch sei verhindert worden, dass der Bundestag ein Opferentschädigungsgesetz habe beschließen müssen.

Beverförden plädierte dafür, die ehemalige hannoversche Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann mit einem Versöhnungspreis auszuzeichnen. Sie habe als erste wichtige Persönlichkeit Klartext geredet und festgestellt, dass es massenweise Zwangsarbeit und Menschenrechtsverletzungen in den Heimen gegeben habe.

Ehemalige Heimkinder erwarteten vor allem eine finanzielle Entschädigung, wie es sie in anderen europäischen Staaten gebe. Stattdessen könnten sie jetzt aber lediglich auf Rentennachzahlungen und Hilfen bei Therapien hoffen. Letzteres sei schon deshalb unsinnig, «weil 90 Prozent der Betroffenen keine Therapie machen wollen; sie sind zu alt oder fürchten eine erneute Traumatisierung».

Ähnlich wie der Verein ehemaliger Heimkinder (VEH), der für diesen Dienstag Demonstrationen am Rande der Preisverleihung in Bochum angekündigt hat, kritisiert Beverförden zudem die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Runden Tisches. Die Vertreter der Opfer hätten keinen rechtlichen Beistand gehabt. Dagegen hätten Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Ministerien Dutzende von Fachleuten aufgeboten: «Am schlimmsten aber: Als es um die Endfassung des Abschlussberichtes ging, wurden wir genötigt. Es hieß: Entweder, ihr stimmt zu, oder es gibt gar nichts.»

Der Hans-Ehrenberg-Preis wird vom evangelischen Kirchenkreis Bochum verliehen. Er will würdigen, wie Vollmer «in scheinbar ausweglosen gesellschaftlichen Konflikten Verständigungsprozesse initiiert». Vollmer, so heißt es, habe sich für die deutsch-tschechische Aussöhnung und die Entschädigung von NS-Opfern eingesetzt. Außerdem moderierte sie die Arbeit am Runden Tisch Heimerziehung, auf dessen Empfehlung Bundestag und Bundesregierung inzwischen die Einrichtung eines 120-Millionen-Euro-Fonds für Opfer beschlossen haben.


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