Mo, 15.07.2013Fortgebildete Krankenschwestern sollen Kinder vor Vernachlässigung bewahren

Der tragische Tod des kleinen Kevin in Bremen rückte 2006 das Thema Kindesmisshandlung in den Blickpunkt. In Niedersachsen versuchen Familienhebammen, das Problem frühzeitig zu erkennen. Eine Stiftung will das Modell flächendeckend ausbauen.

Hannover (epd). Um Kindesvernachlässigung zu vermeiden, sollen in Niedersachsen künftig auch Kinderkrankenschwestern gezielt fortgebildet werden. Sie sollen die rund 250 Familienhebammen unterstützen, die seit mehreren Jahren jungen Müttern in schwierigen Lebenssituationen zur Seite stehen, sagte Professor Adolf Windorfer von der Stiftung «Eine Chance für Kinder» am Montag in Hannover. Um die Hilfe für Familien vor und nach der Geburt flächendeckend anbieten zu können, seien 500 bis 600 speziell ausgebildete Hebammen oder Krankenschwestern nötig.

Windorfer zufolge haben im vergangenen Jahr 42 Kommunen etwa 200 Familienhebammen eingesetzt. Sie hätten erheblich dazu beigetragen, dass die Säuglinge regelmäßig und richtig ernährt worden seien. Es gehe auch darum, dass die Mütter die Signale eines Babys erkennen lernten, um Zuwendung zu entwickeln. Nach einer Auswertung in 15 Kommunen nutzten 4,1 Prozent der Familien das Angebot. Jede zweite Mutter war unter 22 Jahre alt, 13 Prozent sogar unter 18 Jahre.

Laut Windorfer werden in Niedersachsen pro Jahr rund 68.000 Säuglinge geboren. 5.000 bis 8.000 von ihnen würden emotional oder körperlich vernachlässigt oder seien entsprechend gefährdet. «Das ist der Grund des Eisbergs, den müssen wir verringern», sagte Windorfer. Die Spitze des Eisbergs seien 30 bis 40 Kinder, die im ersten Lebensjahr schwerste körperliche Misshandlungen erlitten oder getötet würden. Familienhebammen fänden leicht den Zugang zu jungen Müttern und könnten bei Problemen frühzeitig eingreifen.

Zu den Problemen gehörten etwa eine psychische Erkrankung oder eine Suchtkrankheit der Mutter. Die Hebammen, die häufig schon vor der Geburt in die Familie kämen, könnten diese Probleme nicht lösen. «Aber sie können für regelmäßige Arztbesuche oder die Einnahme von Medikamenten sorgen.» So könne sich die Krankheit normalisieren und Schaden vom Kind abgewendet werden. Häufig lebten die jungen Mütter auch sozial isoliert. «Viele, die allein sind, sind mit dem Thema Kind vollkommen überfordert.»

Die Stiftung schätzt, dass in Niedersachsen bis zu 15 Prozent aller Familien die Hilfe benötigen. Sie bildet seit 2001 gezielt Hebammen dafür fort und ist damit bundesweit Vorreiter. Das Land bezuschusste die Stiftung 2012 mit 260.000 Euro. Seit auch die Bundesregierung Geld für diesen Zweck zur Verfügung stelle, habe das Modell auch in anderen Bundesländern Nachahmer gefunden. Familienhebammen kommen bis zu ein Jahr nach der Geburt in eine Familie.

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