Sa, 13.10.2012Forscher warnt vor Vereinsamung im Alter

epd-Gespräch: Karen Miether

Hannover/Ludwigsburg (epd). Der Altersforscher Eckart Hammer warnt vor einer zunehmenden Vereinsamung pflegebedürftiger und armer Menschen im Alter. Sie seien noch zu wenig im Blick. «Wir haben einen starken Fokus auf die fitten und aktiven Senioren», sagte der Ludwigsburger Professor für Sozialgerontologie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das gelte vielfach auch für Angebote der Kirchen, erläuterte Hammer, der am Sonnabend zum 60-jährigen Bestehen der Besuchsdienstarbeit in der hannoverschen Landeskirche referierte.

«Pflegebedürftige, chronisch Kranke und ihre Angehörigen werden oft vergessen, weil sie das Haus nicht mehr verlassen», sagte der Sozialwissenschaftler. Dann kämen vielleicht nur noch die ehrenamtlichen Mitarbeiter des kirchlichen Besuchsdienstes vorbei. Menschen mit wenig Geld könnten sich Freizeitangebote ebensowenig leisten wie die Busfahrt in die nächste Stadt. «Das Problem, durch Armut nicht teilhaben zu können, verschärft sich im Alter.»

Hammer warnte zugleich davor, die Schattenseiten des Alterns zu verdrängen. «Jeder wünscht sich, lange fit zu bleiben. Aber wir sollten uns auch darauf einrichten, dass es anders kommen kann.» Dazu sei ein Bewusstseinswandel nötig. «Es gibt noch zu viele Altersverräter, die mit Schminke und mit Liften suggerieren, ein Leben mit Gebrechen sei nicht lebenswert.» Doch gerade das schüre nur die Angst vor dem Alter.

Pflegedürftigkeit sei heute ein noch größeres Tabu-Thema als das Sterben. Dabei berge jede Lebensphase auch Qualitäten, erläuterte der Wissenschaftler. In Interviews hätten ihm etwa Männer, die ihre Frauen pflegten, auch von positiven Erfahrungen berichtet: «Sie haben zum Beispiel neue Fähigkeiten wie Fürsorglichkeit an sich entdeckt.»

Als beispielhaft für ein neues Denken sieht Hammer Projekte wie «demenzfreundliche Kommunen». Dabei schulten die Städte etwa Verkäufer im Einzelhandel oder Busfahrer im Umgang mit altersverwirrten Menschen. «Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, in dem behinderte Menschen oder Menschen mit Altersdemenz nicht ausgegrenzt werden.»

Mitarbeiter von Besuchsdiensten sollten noch besser ausgebildet werden. Sie kämen in die Häuser und könnten als «Lotsen» weitere Beziehungen nach außen vermitteln, sagte Hammer. Die meisten der rund 1.300 Kirchengemeinden in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers haben einen Besuchsdienst. Ehrenamtliche besuchen dabei vor allem zu Geburtstagen Gemeindemitglieder.

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