Fr, 03.08.2012Finanzkrise erreicht psychologische Beratungsstellen

Hannover (epd). Der Druck in der Finanz- und Bankenwelt hat offenbar inzwischen auch die psychologischen Beratungsstellen erreicht. Das Evangelische Beratungszentrum in Hannover berichtete am Donnerstag, dass sich bereits mehrere Firmen und Dienstleister aus der Finanzbranche gemeldet hätten. Deren Mitarbeiter können sich auf Kosten des Unternehmens in dem Zentrum anonym beraten lassen, um Burn-out-Erscheinungen vorzubeugen oder aus Stresssituationen herauszufinden. «Für die Firmen ist es ein klarer Kostenfaktor, wenn Mitarbeiter häufig ausfallen», sagte der Psychologe Axel Gerland.

Die Firmen geben laut Gerland Gutscheine für bis zu drei Beratungsgespräche aus. Diese können von Mitarbeitern eingelöst werden, ohne dass der Unternehmensleitung bekannt wird, wer sie in Anspruch genommen hat. Dabei gehe es auch um Mitarbeiter in Führungspositionen. «Sie sollen befähig werden, leistungsstark zu bleiben.» In den Gesprächen lernten sie, wie Stresssituationen entstehen und wie sie durch Entschleunigung, Entspannung und das Setzen von Grenzen abgefedert werden könnten.

In einem zweiten Schritt könne auch der Umgang in der Firma in den Blick genommen werden. «Dabei spielen auch Vorgesetzte und ihr Führungsstil eine große Rolle», sagte die Psychologin Ulrike Dienstbach. Zudem müssten viele Beschäftigte lernen, ihre inneren Leitsätze zu überprüfen, von denen sie angetrieben würden. Sie lauteten etwa «Schneller, besser, höher» oder «Ich darf keine Fehler machen.» Es gehe darum, alles optimieren zu wollen, niemanden zu enttäuschen und immer erreichbar sein. Viele Menschen, auch in sozialen Berufen, hätten zudem verinnerlicht, jedem helfen zu müssen und andere als wichtiger zu betrachten als sich selbst.

Das Zentrum hat im vergangenen Jahr insgesamt 1.866 Personen beraten, fast 300 weniger als 2010. Der Rückgang entspricht dem Anteil eingesparter Stellen. Die meisten Klienten suchten Rat bei Problemen in Ehe, Partnerschaft und Familie. Laut Gerland führt die erhöhte Zahl von Trennungen und Scheidungen zu neuen Fragen in Patchwork-Familien. So seien sich Kinder und Erwachsene häufig uneins darüber, wer eigentlich zur Familie gehöre. Kinder zählten oft den getrennt lebenden Vater hinzu, die Mutter dagegen den neuen Partner.

Das Evangelische Beratungszentrum in Hannover ist die größte der rund 60 Beratungsstellen der hannoverschen Landeskirche und eines der größten in der Stadt Hannover. Zehn Mitarbeiter teilen sich derzeit 5,5 Stellen.

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