So, 30.11.2014Experten sehen Islamismus als gesellschaftliches Problem

Hannover (epd). Migrationsexperten haben bei einer Fachtagung in Hannover die ihrer Ansicht nach undifferenzierte Darstellung von Muslimen in den Medien kritisiert. Es werde nur selten zwischen Islam und Islamismus unterschieden, sagte der Vorsitzende des muslimischen Landesverbandes «Schura Niedersachsen», Avni Altiner, am Sonnabend.
Die Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger, machte die soziale Ausgrenzung junger Muslime für die Radikalisierung verantwortlich: «Salafismus sollte nicht nur vom Islam her gedacht werden, sondern als Folge gesellschaftlicher Desintegration.»

Altina zufolge stellen Medien und Politik den Islam oft als Bedrohung dar. Positiventwicklungen würden häufig ignoriert. Anschläge auf Moscheen riefen hingegen kaum Betroffenheit hervor. «Obwohl wir hier seit 50 Jahren friedlich leben, müssen wir uns immer noch von extremistischen Bewegungen distanzieren.»

Die Muslime könnten das Islamismusproblem nicht allein lösen, unterstrich Altiner. Die Moscheen brauchten mehr Geld, um hauptamtliche Mitarbeiter für die Jugendarbeit beschäftigen zu können.

Der Fokus des Verfassungsschutzes liege derzeit stark auf dem Islamismus, erläuterte Brandenburger. Viele junge Muslime, die sich radikalisierten und etwa nach Syrien in den Kampf zögen, hätten keine Ausbildung und keine Perspektive in Deutschland. Viele hätten hier Ausgrenzungs- und Ohnmachtserfahrungen in der Schule oder bei der Berufssuche gemacht.

Die Chefin des Verfassungsschutzes warnte vor einer gefährlichen Wechselwirkung zwischen Islamismus und Rechtsextremismus. «Die Radikalisierung der einen führt zur Radikalisierung der anderen.» Folge dieser wachsenden Islamfeindlichkeit seien gewaltbereite Gruppierungen wie die «HoGeSa» (Hooligans gegen Salafisten).

Der Islamwissenschaftler Götz Nordbruch sagte, für den Umgang mit Islamismus könne die Gesellschaft viel aus den Erfahrungen mit dem Rechtsextremismus der vergangenen 20 Jahre lernen. Besonders wichtig sei die Vorbeugung durch frühe politische Bildung und Beratung. «Deshalb war es ein großer Fehler, die Landeszentrale für politische Bildung abzuschaffen», kritisierte er.

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