Fr, 30.11.2012Experte warnt vor «Stellungskrieg» zwischen Kirche und Gewerkschaft

Hannover (epd). Der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Gerhard Wegner, hat vor einem «Stellungskrieg» ums Arbeitsrecht zwischen den Kirchen und den Gewerkschaften gewarnt. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt habe es in seinem Urteil vom 22. November versäumt, den Kirchen die Entwicklung eines ihnen gemäßen Streikrechts aufzuerlegen, sagte er am Freitag in Hannover dem epd. Nach dem Urteil dürfen Streiks in Kirche und Diakonie weiterhin verboten werden, wenn die Kirche bestimmten Regeln in ihrem Arbeitsrecht nachkommt.

Dazu müssten allerdings deutlicher als bisher Gewerkschafts- und Tarifrechte bei den Lohnverhandlungen berücksichtigt werden, betonte Wegner: «Die simple Rede davon, dass die Gewerkschaften jetzt schon jederzeit mitmachen könnten, wird nicht mehr reichen.» Der Sozialexperte mahnte erhebliche Reformen des kirchlichen Arbeitsrechtes an, das auch «Dritter Weg» genannt wird. Nur so könne die Einladung an die Gewerkschaften auch bei einer gerichtlichen Überprüfung glaubhaft erscheinen.

Es sei wahrscheinlich, dass künftig Gewerkschaften, die nicht zum Deutschen Gewerkschaftsbund gehören, im Dritten Weg mitarbeiteten, sagte Wegner. Ob dies den Gerichten genüge, bleibe abzuwarten. Ebenso wahrscheinlich sei es, dass die Gewerkschaft ver.di mit Streikaufrufen auf das Urteil reagiere, um den Kriterien des Erfurter Gerichts zu entsprechen. Aus der Sicht von ver.di wären diese Streiks nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten.

Wegners Fazit: «Die einen werden das Streikrecht so nicht bekommen, die anderen werden aber die Streiks nicht los.» Auf der Strecke bleibe die Glaubwürdigkeit beider Einrichtungen.

Die Lösung könnte laut Wegner darin bestehen, den Konflikt auf eine gemeinsame Interessensebene zu verlagern. Beide Seiten sprächen sich immer wieder für einen Branchen- und Flächentarifvertrag aus, damit der politisch gewollte Wettbewerb zwischen den Anbietern sozialer Dienstleistungen nicht mehr auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen werden müsse.

Dies sei möglich, wenn beide Seiten über ihren Schatten springen könnten. Die Gewerkschaften müssten dazu jedoch den Dritten Weg zumindest indirekt anerkennen. Die Kirchen müssten sich dagegen verpflichten, tarifliche Regelungen zu übernehmen, die nicht ausschließlich in ihren Kommissionen zustande gekommen seien.
Faktisch wäre das die Wiedereinführung früherer Zustände, als die Kirchen noch den Bundesangestelltentarif übernahmen.

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