Fr, 21.11.2014Ex-Bundespräsident Wulff fordert mehr Verständnis für Flüchtlinge - Islamvertreter: Können uns nicht täglich von Gräueltaten distanzieren

Osnabrück (epd). Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat die Deutschen aufgefordert, sich Flüchtlingen gegenüber aufgeschlossener zu zeigen. Die Bürger sollten sich an die eigene Geschichte von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern und sich nicht abschotten, forderte Wulff am Donnerstagabend in Osnabrück. Das gelte vor allem angesichts der großen Last, die andere Länder wie Jordanien oder die Türkei mit Hunderttausenden von Schutzsuchenden zu tragen hätten. Der Ex-Bundespräsident sprach auf Einladung des Runden Tisches der Religionen und diskutierte anschließend mit Vertretern von Muslimen, Juden und Christen.

Vor dem Hintergrund der Gräueltaten der Terror-Miliz «Islamischer Staat» warnte Wulff vor Selbstgerechtigkeit. Auch im christlichen Europa habe es in der Vergangenheit «unglaubliche Verirrungen» gegeben: «Da steht es uns Christen heute nicht zu, mit erhobenem Zeigefinger auf die Muslime zu zeigen.» Die Muslime in Deutschland und Europa verlangten zurecht, nicht mit den Terroristen des IS in eine Schublade gesteckt zu werden.

Wulff forderte eine Kultur der Verständigung und des Dialogs auf Augenhöhe. Die deutsche Vielfalt von Religionen und Kulturen könne so zu einem «Modell für die Welt» werden. «Ich wünsche mir mehr als ein Nebeneinander verschiedener Religionen, Weltanschauungen und Kulturen», betonte der ehemalige Bundespräsident. «Ich wünsche mir ein Miteinander.»

Yilmaz Kilic, Vorsitzender des muslimischen Landesverbandes Ditib in Niedersachsen und Bremen, äußerte Unverständnis darüber, dass Muslime in Deutschland immer wieder Stellung nehmen müssten zu dem, «was Fundamentalisten im Nahen Osten, in Afrika oder irgendwo auf der Welt machen». Im September hätten sich Verbandsvertreter und Gläubige in rund 3.000 Moscheen in ganz Deutschland von den Gewalttaten des Islamischen Staates deutlich öffentlich distanziert: «Das können wir nicht jeden Tag machen. Wir haben Wichtigeres zu tun.»

Die Muslime in Deutschland wollten Teil der deutschen Gesellschaft sein und sie bereichern. In den vergangenen Jahren habe es mit der Einführung des islamischen Religionsunterrichts, der Gründung von Instituten für Islamische Theologie und vielfältigen Dialogansätzen gute Fortschritte zu einer Anerkennung des Islam in Deutschland gegeben.

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