Do, 25.02.2010Evangelische Kirche will unbequem bleiben

Hannover (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will sich auch nach dem Rücktritt der Ratsvorsitzenden Margot Käßmann weiter politisch Gehör verschaffen. Der amtierende Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte: «Das Eintreten für diejenigen, die ihre Stimme nicht erheben können, wird auch für mich verbindlich bleiben.» Fragen der sozialen Gerechtigkeit seien ihm selbst schon immer sehr wichtig gewesen. EKD-Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt betonte, die Lücke, die Käßmann hinterlasse, könne man nicht füllen. Doch die evangelische Kirche wolle «politisch unbequem» bleiben.

   Schneider, der als bisheriger Stellvertreter vorläufig an die EKD-Spitze rückt, sagte, der Rücktritt Käßmanns von ihren kirchlichen Ämtern sei kein Rückschritt für die Kirche. Viele Menschen hätten aber gehofft, dass sie als Ratsvorsitzende weitermacht. Auch bei Käßmanns Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr habe «die übergroße Mehrheit der Kirche zu ihr gestanden», sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland am Mittwochabend den ARD-«Tagesthemen».

   Nach nur vier Monaten an der Spitze der EKD hatte Käßmann am Mittwoch ihren Rücktritt erklärt. Zugleich legte sie ihr Amt als hannoversche Landesbischöfin nieder. Die 51-Jährige zog damit die Konsequenz aus einer Autofahrt mit 1,54 Promille Alkohol im Blut.

   Nach Einschätzung von EKD-Synodenpräses Göring-Eckardt steht die Kirche nach dem Käßmann-Rücktritt vor einer schwierigen Situation.
Einen Imageschaden befürchtet sie indes nicht. Die Grünen-Politikerin sagte dem epd, aus Sicht des Rates der EKD hätte Käßmann weiter im Amt bleiben können. «Sie hat in ihrer Gradlinigkeit anders entschieden», sagte die Vizepräsidentin des Bundestages, die dem EKD-Kirchenparlament vorsteht. Das verdiene hohen Respekt und sei ein «großer Dienst an unserer Kirche».

   Göring-Eckardt kündigte am Donnerstag im ZDF-«Morgenmagazin» an, die EKD wolle fortsetzen, was Käßmann als «Gesicht des Protestantismus» in Deutschland angestoßen habe: «Wir sind entschlossen, den modernen, fröhlichen, den Menschen zugewandten Protestantismus weiterzuführen.»

   Günther Beckstein, einer der Vizepräses der Synode, schloss im Südwestrundfunk eine Rückkehr Käßmanns an die EKD-Spitze nicht aus.
Dass jeder Mensch die Chance bekommen soll, ein zweites Mal anzufangen, halte er für wichtig. «Ob das wieder an die Spitze der Evangelischen Kirche führt, ist eine andere Frage», sagte Beckstein am Donnerstag laut einem vom Radiosender SWR2 verschriftlichten Interview. Es sei seine Überzeugung, dass Käßmann «eine herausragende Persönlichkeit ist, die irgendwo wieder auch besondere Verantwortung kriegt und verdient».

   Auch Präses Schneider äußerte Respekt für Käßmanns Entscheidung.
Dieser offene und ehrliche Umgang mit eigenem Versagen werde auch dem Amt des EKD-Ratsvorsitzenden wieder hohen Respekt verschaffen, das eine «gewisse Beschädigung» erfahren habe. Göring-Eckardt sprach sich dafür aus, dass Schneider bis auf Weiteres den Ratsvorsitz übernimmt.
Für eine kurzfristig anzusetzende Sondersynode zur Neuwahl sehe sie keine Notwendigkeit, sagte sie dem epd. Der Rat werde bei seiner Sitzung am Freitag und Samstag in Tutzing über das weitere Vorgehen beraten.

   Schneider könnte die Geschäfte laut Kirchenordnung zunächst bis zur turnusgemäßen Synodentagung im November führen. Der rheinische Präses ließ bislang offen, ob er sich vorstellen kann, das protestantische Spitzenamt über die kommissarische Leitung hinaus auszuüben.

Pressestelle

Kann die Pressestelle etwas für Sie tun? Hier finden Sie den Kontakt zu uns.