Mo, 09.11.2015Evangelische Kirche befasst sich mit Schattenseiten Luthers

Luthers Judenfeindschaft gilt in der Geschichte der evangelischen Kirche als große Belastung. Vor dem 500. Reformationsjubiläum bemüht sich die EKD um eine Klarstellung. Am Dienstag stehen bei der Synodentagung in Bremen Personalentscheidungen an.

Bremen (epd). Mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum im Jahr
2017 wirft die evangelische Kirche einen kritischen Blick auf Martin Luthers Judenfeindschaft. Jahrzehntelang sei der Antijudaismus des Reformators in der evangelischen Kirche kein Thema gewesen, sagte die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, am Montag bei der EKD-Synodentagung in Bremen. Aus ihrer Sicht müsse aber durchaus eine Linie gezogen werden von Luthers Judenfeindschaft bis zum Versagen der evangelischen Kirche in der Zeit des Holocaust.

Die evangelische Kirche erinnert in zwei Jahren an die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther (1483-1546). Der 31. Oktober 1517 gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation. Luthers Judenfeindschaft gilt als große Belastung für die Geschichte der evangelischen Kirche und wird den Schattenseiten im Wirken des Reformators zugerechnet. 1543 erschien Luthers Schrift «Von den Juden und ihren Lügen». Die evangelische Kirche sei «höchst spät dran», wenn sie sich nun von dieser Schrift distanziere, sagte die ehemalige hannoversche Landesbischöfin.

In dem Entwurf zu einer Erklärung, die am Mittwoch zum Abschluss der Jahrestagung des Kirchenparlaments verabschiedet werden soll, heißt es, auch wenn sich keine einfachen Kontinuitätslinien ziehen ließen, «konnte Luther im 19. und 20. Jahrhundert als Kronzeuge für theologischen und kirchlichen Antijudaismus sowie politischen Antisemitismus in Anspruch genommen werden». Erst nach 1945 sei es zu einem Lernprozess hinsichtlich des Versagens der Kirchen gegenüber dem Judentum gekommen. In der Neubestimmung des Verhältnisses zum Judentum habe die EKD jede Form von Judenfeindschaft verworfen.

Bei der am Sonntag in Bremen eröffneten Synodentagung rücken am Dienstag und Mittwoch Personalentscheidungen in den Vordergrund. Zunächst werden am Dienstag 14 Ratsmitglieder neu gewählt. Synodenpräses Irmgard Schwaetzer gehört dem 15 Mitglieder zählenden Leitungsgremium qua Amt an. Am Mittwoch fällt die Entscheidung über den Ratsvorsitz. Favorit für den Posten als oberster Repräsentant der 22,5 Millionen deutschen Protestanten ist der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der das Amt vor einem Jahr übernommen hatte.

Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum will die evangelische Kirche auch ihre Verankerung in der pluralen Gesellschaft unterstreichen. «Demokratie lernen, einschließlich der Fähigkeit zur Toleranz, ist allen in der Gesellschaft aufgegeben», sagte Rüdiger Sachau, Direktor der Evangelischen Akademie zu Berlin. Christen sollten dafür einstehen, dass die offene Gesellschaft von den Bürgern getragen wird.

Sachau legte der Synode den Entwurf zu einer sogenannten Kundgebung vor. «Der Protestantismus versteht den christlichen Glauben als Religion der Freiheit, einer Freiheit zur eigenen Erkenntnis und zum Dienst am Mitmenschen», heißt es in dem Text mit dem Titel «Reformationsjubiläum 2017 - Christlicher Glaube in offener Gesellschaft». Auch dort wird das christlich-jüdische Verhältnis thematisiert.

«Es gibt einen fortwirkenden Antisemitismus bis in die Mitte unserer Gesellschaft und auch in unserer evangelischen Kirche», sagte Sachau: «Solange in unserem Land 'Jude' als Schimpfwort und Diskriminierungsbegriff verwendet wird; solange Verschwörungstheorien über die Weltmacht der Juden im Internet kursieren, haben wir eine bleibende Aufgabe, vor der wir nicht die Augen verschließen können.» Im Kundgebungsentwurf wird die «weitgehende Unfähigkeit des deutschen Protestantismus» verurteilt, sich der «Ausbreitung des Antisemitismus und seiner rassischen Begründungen entgegenzustellen».

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