Mi, 30.12.2009EKD-Vize wirbt für neues Sozialwort der Kirchen - Präses Schneider: Gemeinsamkeit steigert Durchschlagskraft - Katholiken überrascht -

Frankfurt a.M./Braunschweig (epd). Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, wirbt für eine gemeinsame Stellungnahme der beiden großen Kirchen zu aktuellen sozialen Fragen. «Wir sollten auf die katholische Bischofskonferenz zugehen, um darüber zu beraten, wie wir nach dem gemeinsamen Sozialwort der Kirchen von 1997 erneut ein großes gemeinsames Werk zur sozialen Frage erarbeiten können», sagte der rheinische Präses dem epd.

   Die Kirchen seien Anwälte der Menschen, betonte Schneider, der auch Vorsitzender des Diakonischen Rates der EKD ist. Christen müssten von der Politik verlangen, Eigensinn und Gemeinsinn in eine Balance zu bringen. Wenn sich die Kirchen gemeinsam zu wichtigen gesellschaftlichen Fragen äußerten, steigere das die öffentliche Aufmerksamkeit und die politische Durchschlagskraft, fügte Schneider hinzu.

   In der evangelischen Kirche wurde Schneiders Vorstoß begrüßt. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz zeigte sich von dem Vorschlag dagegen überrascht. «Wir hören heute davon zum ersten Mal und können daher noch nicht mit den Bischöfen eine Meinungsbildung vornehmen», sagte Pressesprecher Matthias Kopp dem epd.

   Die Deutsche Bischofskonferenz hatte erst Mitte Dezember eine Stellungnahme zur globalen Finanz- und Wirtschaftskrise vorgelegt.
Dabei hatte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx vor einem Rückfall in alte wirtschaftliche und finanzpolitische Verhaltensmuster gewarnt. Es sei zu befürchten, dass die Folgen der internationalen Finanzkrise in erster Linie bei den Armen und Schwachen abgeladen werden.

   Die beiden großen Kirchen äußerten sich in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder zu wirtschafts- und sozialpolitischen Themen. Unter dem Titel «Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit» hatten die Kirchen 1997 nach zweijährigen Beratungen ihr gemeinsames «Wort» vorgelegt. EKD und Deutsche Bischofskonferenz riefen damals zur Reform des Sozialstaates und der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft auf. Die Erklärung war ein Plädoyer für den Vorrang des Gemeinwohls gegenüber dem Eigennutz.

   Im vergangenen Jahr hatte sich die Evangelische Kirche in Deutschland zur Bedeutung des Unternehmertums geäußert. Schneider hält es nun für sinnvoll, die Arbeitnehmerseite näher zu betrachten.
«Die Kammer für soziale Ordnung der EKD sollte sich in nächster Zeit mit der Würde der Arbeit und mit der Bedeutung der Gewerkschaften befassen», schlägt der Theologe vor.

   In den lutherischen Kirchen wurde Schneiders Vorschlag für ein neues Sozialwort positiv aufgenommen. Der Catholica-Beauftragte der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber, erinnerte an eine Entschließung der VELKD-Generalsynode von Oktober. Hier hieß es den Angaben zufolge, die EKD und die Bischofskonferenz sollten angesichts der Finanzkrise eine aktualisierende Fortschreibung des gemeinsamen
Wirtschafts- und Sozialwortes von 1997 für das Jahr 2011 anstreben.

   Weber, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) ist, sieht unter anderem in der Zustimmung zu einer sozialen Marktwirtschaft Gemeinsamkeiten mit katholischen Christen. Auch diese fühlten sich der globalen und ökologischen Herausforderungen verpflichtet. Die Wirtschaft sei nicht um ihrer selbst willen da, sondern müsse im Dienst des Menschen und damit des Gemeinwohls stehen. Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands repräsentiert rund elf Millionen Christen.

   Auch der Landessuperintendent der Lippischen evangelischen Landeskirche, Martin Dutzmann, unterstützt den Vorschlag Schneiders.
«Ziel ist die gerechte Teilhabe aller an den Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten, die unsere Gesellschaft als Ganze bietet», sagte Dutzmann dem epd. Zwar hätten sich beide Kirchen in den zurückliegenden Monaten bereits deutlich geäußert. Eine gemeinsame Stellungnahme würde sicher noch besser gehört werden.


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