Mi, 27.01.2010EKD-Ratsvorsitzende Käßmann warnt vor Schattenseiten von Krieg und Gewalt

Hannover (epd). Die EKD-Ratsvorsitzende Bischöfin Margot Käßmann hat vor den Schattenseiten von Krieg und militärischer Gewalt gewarnt.
«Jeder Krieg, auch der mit den besten Motiven, setzt ein furchtbares Gewaltpotenzial frei», sagte sie am Dienstagabend in Hannover bei einer Gedenkstunde des niedersächsischen Landtages zum Holocaust-Gedenktag (27. Januar): «Diese dunklen Seiten jedes Krieges wahrzunehmen und anzusprechen ist ein Gebot der Redlichkeit und darf nicht pauschal als Delegitimierung militärischer Gewalt schlechtgemacht werden.»

   Mit der neueren evangelischen Friedensethik bejahe sie einen Gebrauch militärischer Gewalt bei der Durchsetzung von Recht und Frieden, sagte die oberste Repräsentantin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und hannoversche Landesbischöfin Käßmann: Krieg bringe jedoch immer Unrecht, Not und entsetzliches Leid mit sich: «Es gibt keinen sauberen Krieg, der Zivilisten wahrhaft schont und Unrecht vermeiden kann.»

   Käßmann hatte in Predigten und Interviews zum Jahreswechsel mehrfach den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan kritisiert und war dafür ihrerseits von Politikern zum Teil heftig kritisiert worden. Sie bezeichnete den Krieg gegen Nazi-Deutschland als eines der wenigen Beispiele für die positive Rolle militärischer Gewalt zur Erhaltung von Recht und Frieden.

   Im Blick auf die Opfer des Nationalsozialismus sprach sich Käßmann für eine «produktive» Trauerarbeit aus, wie sie etwa die «Aktion Sühnezeichen» leiste: «Es braucht Generationen, nach einer solchen Katastrophe so etwas wie Normalität zu finden.» Auch die Nachkommen müssten ihren Beitrag zur Aufarbeitung leisten. Trauer könne dabei ein Ausgangspunkt für das eigene Handeln sein. Die «Aktion Sühnezeichen» leistet Versöhnungsarbeit in Ländern, denen von Deutschen Unrecht getan wurde wie Polen, Russland und Israel.

   Bei der Gedenkstunde betonte Landtagspräsident Hermann Dinkla
(CDU) die Bedeutung der Erinnerung an die NS-Verbrechen. «Es ist unsere Pflicht, Geschichtsfälschern und Holocaust-Leugnern entschlossen entgegenzutreten», sagte er. Dinkla dankte besonders Salomon Finkelstein aus Hannover, der in der Gedenkfeier von seinen Erinnerungen berichtete. Finkelstein wurde 1922 im polnischen Lodz geboren. Er überlebte unter anderem die Konzentrationslager Auschwitz und Mittelbau-Dora.

   Künftig werde es immer weniger Zeitzeugen geben, sagte der Landtagspräsident. «Wir, die wir den Überlebenden noch zuhören können, haben den Auftrag, ihre Geschichte an die nachfolgenden Generationen als Mahnung weiterzugeben.» Zugleich gehe es darum, eine Gesellschaft der Toleranz, der Humanität und des friedlichen Miteinanders zu gestalten und wachsam zu sein gegen jede Form von Extremismus, Intoleranz und Fremdenhass.

   Der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog proklamiert und auf den 27.
Januar festgelegt. An diesem Tag war 1945 das Vernichtungslager Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit worden. Die Vereinten Nationen riefen 2005 den 27. Januar als «Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust» aus. Seit 2006 wird er weltweit begangen.


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