Do, 09.09.2010Eine 18-jährige Ungarin kümmert sich ein Jahr lang ehrenamtlich um behinderte Männer in Oldenburg

Oldenburg (epd). In rasender Eile huschen Agnes Oszuszkis Finger über die Handytastatur. Dort hat sie ein ungarisch-deutsches Wörterbuch gespeichert. Seit knapp zwei Wochen ist die 18-jährige Abiturientin in Deutschland, um bei der Oldenburger Diakonie ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren.

Die junge Ungarin mit einem ukrainischen Pass gehört zu den 27 jungen Männern und 67 Frauen, die in den kommenden zwölf Monaten die Arbeit in den sozialen Einrichtungen der Oldenburger Diakonie kennenlernen wollen. Bundesweit sind es rund 37.500 junge Menschen, die für monatlich 180 Euro Taschengeld und 210 Euro Verpflegungsgeld ein Jahr lang in die Sozialarbeit bei den Wohlfahrtsverbänden hineinschnuppern wollen.

Agnes gehört einer Minderheit ungarischer und evangelisch-reformierter Christen im äußersten Westen der Ukraine an. In einer Kirchenzeitung habe sie von der Möglichkeit erfahren, für ein Jahr in Deutschland zu arbeiten. «Zuhause konnte ich nur mit meiner 80-jährigen Lehrerin deutsch reden», sagt sie. «Das ist für mich eine große Chance.»

Eigentlich will sie Dolmetscherin werden. «Als ich dann gehört habe, dass ich in einer Behinderten...» - ihre Finger huschen wieder kurz übers Handy - «...Behinderteneinrichtung arbeiten soll, habe ich zuerst die Luft angehalten.» Als ehrenamtliche Mitarbeiterin ihrer Kirchengemeinde hat sie auch Behindertenheime in der Ukraine besucht. «Dort ist es einfach nur furchtbar.» Zwar gebe es hin und wieder Spenden für die Bewohner, «aber sie kommen nicht bei den Menschen an, weil sich das Personal die Sachen einsteckt».

Seit einer Woche arbeitet Agnes jetzt im Oldenburger «Haus Regenbogen» in einer Gruppe mit neun mehrfachbehinderten Männer im Alter zwischen 16 und 22 Jahren. «Die ersten Tage waren ziemlich schwer für mich», erinnert sich die zierliche junge Frau. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Bewohner zu waschen und auch deren Windeln zu wechseln. «Das war schon ziemlich peinlich für mich. Aber jetzt ist es okay. Ich mache alles mit.»

Derweil ist eine bundesweite Diskussion über die Zukunft des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) entbrannt. Für den wahrscheinlichen Fall, dass der Zivildienst infolge der Wehrdienstreform ausgesetzt wird, hat die zuständige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) einen «freiwilligen Zivildienst» in Aussicht gestellt. Der aber, so befürchten Kritiker, könnte die seit mehr als 50 Jahren bestehenden Strukturen des FSJ gefährden. Eine entsprechende Stelle ist für die Einrichtungen mit rund 700 Euro fast doppelt so teuer wie eine Zivildienststelle.

Der Oldenburger Diakonie-Chef Thomas Feld sagt, für die Ausweitung freiwilliger Dienste könnten Strukturen bei Diakonie und Wohlfahrtsverbänden genutzt werden. «Die Diakonie ist bereit und in der Lage, zusätzliche Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr zu schaffen und damit die freiwillige Mitarbeit im Sinne des Familienministeriums auszuweiten.» Dazu müsse das bürgerschaftliche Engagement der jungen Männer und Frauen angemessen gefördert werden.

Von dieser innenpolitischen Debatte hat Agnes noch nichts mitbekommen. «Ich will meine Deutschkenntnisse verbessern und freue mich auf viele neue Begegnungen.»

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