Mo, 28.01.2013Ein Jahr nach der Rückkehr: Die Nguyens lieben die Normalität

Vor einem Jahr feierten die Nguyens auf dem Flughafen Hannover Wiedersehen. Erstmals in Niedersachsen durfte eine abgeschobene Familie zurückkehren. Nach der Landtagswahl hoffen viele jetzt auf eine humanere Flüchtlingspolitik auch in anderen Fällen.

Hoya/Hannover (epd). Die Nguyens im niedersächsischen Hoya sind eine ganz normale Familie. Vater und Mutter gehen zur Arbeit. Abends laden sie manchmal Freunde ein. Die zwei Grundschulkinder spielen nachmittags Fußball und Klavier. Die Nguyens lieben diese Normalität: «Uns geht es sehr gut», sagt Mutter Sang: «Wir sind gesund und frei.
Nur wenn wir an damals denken, weinen wir.»

In diesen Tagen lebt die Erinnerung wieder auf an hochdramatische Ereignisse. Nach 19 Jahren in Deutschland wurden die Vier am 8. November 2011 in einer Nacht- und Nebel-Aktion aus Hoya nach Vietnam abgeschoben. Ihre 20-jährige Tochter Ngoc Lan blieb allein zurück. Vor genau einem Jahr, am 31. Januar 2012, durften sie dann doch auf legalem Weg nach Deutschland zurückkehren. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte damals nach Protesten von Bürgern, Flüchtlingsorganisationen und Kirchen eingelenkt und die Rückholung in die Wege geleitet.

Was Familie Nguyen gelungen ist, steht Gazale Salame, ihrem Mann und den Kindern noch bevor. Doch für sie wird es ungleich schwieriger. Die Kurdin soll in diesen Wochen nach Hildesheim zurückkehren. Allerdings liegt ihre Abschiebung bereits fast acht Jahre zurück. Damals war sie schwanger und musste mir ihrer einjährigen Tochter in die Türkei ausreisen. Zwei ältere Kinder und der Mann blieben in Deutschland. Salame wurde unter dem Druck psychisch krank.

Der Niedersächsische Flüchtlingsrat, humanitäre Verbände und Kirchen hoffen nach dem Regierungswechsel in Hannover auf eine grundlegende Änderung in der Flüchtlingspolitik. Dazu zählt für sie, dass in der Härtefallkommission menschliche Erwägungen an erster Stelle stehen müssen. Denn es gibt noch viele Menschen, deren Schicksal völlig ungewiss ist. Auch Anuar Naso zählt dazu. Er wurde als 16-Jähriger im Februar 2011 nach Syrien abgeschoben, während Mutter und Geschwister in Deutschland blieben. Nach Inhaftierung und Folter ist er nach Bulgarien geflohen und hofft nun auf Rückkehr.

Den Behörden werde es unter Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Umgang mit Flüchtlingen nicht länger um Abschreckung gehen, hofft Geschäftsführer Kai Weber vom Flüchtlingsrat. Der designierte Innenminister Boris Pistorius (SPD) habe bereits vor der Landtagswahl einen humaneren Umgang angekündigt. Familien dürften nicht durch Abschiebung auseinandergerissen werden. Menschen, die sich über Jahre integriert hätten, sollten in Deutschland bleiben: «Die Zeit der absurden Panik vor Einwanderern ist vorbei.»

Die Nguyens teilen seit ihrer Rückkehr das Leben in vorher und nachher. «Vorher hatten wir immer Angst», sagt Mutter Sang. Die drohende Abschiebung schwebte wie eine dunkle Wolke über allem. Vor sieben Jahren waren sie ihr schon einmal in letzter Minute entgangen. Sie hatten sich ins Kirchenasyl der evangelischen Gemeinde Hoya geflüchtet. Nach der Wiedereinreise ist der normale Alltag ihr Glück.

Jetzt setzen sie alles daran, dass ihnen dieses Glück nicht wieder verloren geht. Stolz zeigen sie vier rosafarbene Plastikkarten vor: «Aufenthaltserlaubnis» steht auf jeder geschrieben. Damit dürfen sie sich frei bewegen. Drei Jahre ist sie gültig. Fleißig verbessern sie in einem Sprachkurs ihre Deutschkenntnisse. Die Einbürgerung ist das große Ziel.

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