Do, 09.08.2012Diskussion um Reform der Organspende hält an

Berlin/Göttingen (epd). Nach den jüngst bekanntgewordenen Manipulationen von Krankenakten und einem Anstieg der direkt vergebenen Organe werden die Forderungen nach mehr Transparenz und Kontrollen bei Transplantationen immer lauter. Der Kölner Verfassungsrechtler Wolfram Höfling warnte davor, die Organisation weiter nur Ärzten zu überlassen. Mediziner sehen indes keine Anzeichen für regelmäßige Manipulationen und lehnen eine Ausweitung der staatlichen Kontrolle ab. Auch das Bundesgesundheitsministerium wies Forderungen nach stärkerer Aufsicht des Staates zurück.

Eine Ministeriumssprecherin sagte am Mittwoch in Berlin, dass es nicht automatisch ein Indiz für Manipulationen sei, wenn immer mehr Spenderorgane nach einem beschleunigten Vermittlungsverfahren verpflanzt werden. In diesem Jahr ist jedes vierte Herz, jede dritte Lunge und fast jede zweite Bauchspeicheldrüse direkt von der Klinik an Transplantationszentren vergeben worden.

Das Verfahren ist legitim, wenn sich kein Empfänger für ein Organ findet, weil der Spender bereits alt war oder Vorerkrankungen hatte. Damit soll der Verlust des Organs verhindert werden. Kritiker fürchten Manipulationen, weil ein Arzt ein Organ «kränker» machen könnte.

Der Verfassungsrechtler Höfling vermisst dabei Kontrolle. Es könne nicht sein, dass sich Ärzte selbst kontrollieren, sagte er der «Berliner Zeitung» (Mittwochsausgabe). Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, forderte mehr staatliche Kontrollen. Es bedürfe einer besseren und transparenteren Koordination einschließlich einer strengen und öffentlich zugänglichen Dokumentation der Fälle, sagte sie.

Hessens Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) sagte, dass Gesetzesänderungen angegangen werden müssten, wenn dadurch Fehlern begegnet werden könne. Der Geschäftsführer der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, forderte bei «Focus Online» ein schnelles Handeln. «Keiner ist in der Lage, mit den strukturellen Missständen aufzuräumen», kritisierte er. Dabei gehe es «um Leben und Tod». Brysch hatte wiederholt mehr staatliche Kontrollen gefordert.

Der Ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Freiburg, Jörg Rüdiger Siewert, lehnt das dagegen ab. Stattdessen sollten ärztliche Gremien und wissenschaftliche Fachgesellschaften ein Konzept erarbeiten, wie sich größere Transparenz schaffen lasse, sagte er dem epd. Für Donnerstag hat die Bundesärztekammer die Überwachungskommissionen für die Organtransplantation zu einer Sondersitzung nach Berlin eingeladen.

Experten forderten unterdessen in der «tageszeitung»
(Donnerstagsausgabe) die Schließung der Transplantationszentren in Göttingen und Regensburg. Dort sollen Labordaten gefälscht worden sein, um Patienten auf der Warteliste für eine Leber nach vorn rücken zu lassen. Es sei problematisch, «dass Zentren, die bewusst in krimineller Weise gegen das Gesetz verstoßen haben, immer noch transplantieren dürfen», sagte der Leiter des Transplantationszentrums an der Technischen Universität München, Uwe Heemann, dem Blatt. In Deutschland gibt es rund 50 Transplantationszentren. Nur dort dürfen Organe verpflanzt werden.

Auch der Direktor des Deutschen Herzzentrums in Berlin, Roland Hetzer, sprach sich für die Schließung aus. Der «Berliner Morgenpost» (Mittwochsausgabe) sagte Hetzer, dass er bei der Organspende Manipulationen im großen Stil nicht für möglich halte. Trotzdem räumte er ein: «Wenn jemand wirklich betrügen will, dann wird es ihm leider oft gelingen.»

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