Di, 22.06.2010Diakonie in Niedersachsen fordert mehr Selbstbestimmung für behinderte Menschen

Bremen/Hannover (epd). Das gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Schülern soll nach den Willen der Kultusminister zum schulischen Alltag werden. «Dies ist für mich Anspruch und Verpflichtung zugleich», sagte der der bayerische Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz, Ludwig Spaenle (CSU), am Montag in Bremen bei einer Fachtagung der Konferenz. Rund 150 Experten diskutieren bis zum Dienstag, wie die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen in den deutschen Schulen umgesetzt werden kann.

Unterdessen plädierten Vertreter der Diakonie in Niedersachsen am Montag in Hannover für mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Konvention in allen Lebensbereichen. Die UN-Konvention fordert unter anderem einen uneingeschränkten Bildungszugang für alle Menschen. Niemand darf diskriminiert werden. Dies gilt ausdrücklich auch für Menschen mit Behinderungen.

Der Vorsitzende des Deutschen Behindertenrates, Adolf Bauer, begrüßte in Bremen die Bemühungen der Kultusministerkonferenz: «Wir hoffen, dass von dieser Tagung ein klares Signal für eine gemeinsame Bildung in Deutschland ausgeht.» Nur 18,4 Prozent aller behinderten Kinder würden in Deutschland in Regelschulen unterrichtet. Damit bilde Deutschland in Europa das Schlusslicht. In den Niederlanden, Skandinavien oder auch Italien lernten zwischen 80 und 100 Prozent der behinderten Kinder gemeinsam mit ihren nichtbehinderten Klassenkameraden.

Zwar besuchten immer mehr betroffene Schüler eine Regelschule, doch schreite dieser Prozess viel zu langsam voran. «Bei dem aktuellen Tempo erreichen wir unser Ziel erst in 25 Jahren», kritisierte Bauer. Die Bremer Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) lobte, dass sich alle 16 Kultusminister auf ein gemeinsames Diskussionspapier für die Tagung geeinigt hätten. Allein dies sei ein wichtiges Zeichen für die politisch gewollte Inklusion. Mit diesem Schlagwort bezeichnen Experten die völlige Gleichberechtigung von Behinderten in allen Bereichen des Lebens.

Menschen mit Behinderungen müssten noch bessere Möglichkeiten für ein Leben nach ihren eigenen Vorstellungen bekommen, sagte Jörg Reuter-Radatz vom Diakonischen Werk der hannoverschen Landeskirche in Hannover. Zwar sichere ihnen die UN-Konvention, die 2008 in Deutschland in Kraft trat, Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen zu, «doch den Worten müssen noch konsequenter Taten folgen. Die gesamte Gesellschaft muss umdenken.»

In Deutschland gebe es noch immer viele Vorurteile gegenüber Menschen mit Handicaps, beklagte Reuter-Radatz. Sie seien im Alltag benachteiligt, etwa wenn sie mit dem Rollstuhl Zug fahren wollten. Längst seien noch nicht alle Nah- und Fernverkehrszüge barrierefrei. Die UN-Behindertentrechtskonvention stehe für einen Mentalitätswechsel, der noch nicht abgeschlossen sei, unterstrich der Sprecher des Vorstandes der Diakonie in Niedersachsen, Thomas Feld, aus Oldenburg.

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