Di, 09.10.2012«Der Islam sollte in Deutschland beheimatet sein»

Erste Studenten beginnen an der Uni Osnabrück ihr Studium der islamischen Theologie

 Von Martina Schwager (epd).

Ende Oktober wird in Osnabrück offiziell das bundesweit größte Institut für Islamische Theologie eröffnet. Die Studenten und Studentinnen wie die 33-jährige Dua Zeitun haben zu Semsterbeginn ihr Studium schon aufgenommen.

Osnabrück (epd). Schon als Kind hat Dua Zeitun ihren Vater fast täglich in die Moschee in der Nähe des Osnabrücker Hauptbahnhofs begleitet. Abdul Jalil Zeitun ist dort Imam einer Gemeinde mit mehr als 80 Nationen. Er pflegt den Austausch mit christlichen Gemeinden. Dua hat viel gelernt bei ihm. Die 33-Jährige arbeitet als Seelsorgerin in der Moschee und als Referentin für interreligiöse Zusammenarbeit in einer katholischen Bildungseinrichtung. Seit Montag ist sie zudem eine der ersten Studentinnen der islamischen Theologie an der Universität Osnabrück: «Ich will eine gute theologische Grundlage für meine weitere Arbeit.»

Die Uni ist die einzige in Norddeutschland, die dieses Fach anbietet. Mehr als 20 Studentinnen und Studenten haben es belegt. Ende Oktober wird in Osnabrück offiziell das bundesweit größte Institut für Islamische Theologie eröffnet. Es löst das 2008 gegründete Zentrum für interkulturelle Islamstudien ab. «Wenn alle Stellen besetzt sind, werden hier sieben Professoren forschen und lehren», sagt dessen Direktor Bülent Ucar. Das Institut ist mit 6,6 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre ausgestattet.

Das Fach Islamische Theologie ist in ganz Deutschland noch relativ jung. Die Uni Frankfurt-Gießen lehrt es seit drei Jahren. Tübingen hat vor einem Jahr nachgezogen. Erlangen-Nürnberg, Münster und Osnabrück haben jetzt begonnen. Der Wissenschaftsrat hatte vor gut zwei Jahren empfohlen, dass Islamische Theologie an deutschen Universitäten gelehrt werden soll. 20 Millionen Euro hat der Bund dafür insgesamt zur Verfügung gestellt.

Niedersachsen und die Uni Osnabrück sehen sich als Vorreiter. Seit 2008 gibt es dort einen Aufbau-Studiengang für islamische Religionslehrer. 2010 folgte der noch immer einmalige Weiterbildungsstudiengang für Imame. Von Beginn an arbeitete Ucar mit den muslimischen Verbänden zusammen. «Die Akzeptanz an der Basis ist wichtig. Die Absolventen wollen schließlich in den Gemeinden und Schulen arbeiten», unterstreicht der Professor.

Die volle Gleichberechtigung des Islam mit dem Christentum und dem Judentum ist das Ziel von Bülent Ucar. Die universitäre Ausbildung von Theologen ist für ihn ein großer Schritt in diese Richtung. Bleibt noch die verfassungsrechtliche Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft. Einen solchen Staatsvertrag sieht der Religionspädagoge in nicht allzu ferner Zukunft: «Dann können Muslime in dieser Gesellschaft eine eigene Identität entwickeln und sich besser integrieren.»

Auch Dua Zeitun ist die Gleichberechtigung des Islam wichtig: «Der Islam ist ein wichtiger Bestandteil in Deutschland und sollte auch hier beheimatet sein», sagt die Studentin. Dass die Religion mit Grundgesetz und Demokratie harmonieren muss, ist für sie selbstverständlich. Islam und deutsche Kultur werden sich gegenseitig befruchten, glaubt Zeitun.

Der in Deutschland gelehrte Islam werde in den kommenden Jahrzehnten durch die deutsche und europäische Kultur geprägt werden, sagt Ucar: «Der Islam in Deutschland wird ein neues Gesicht bekommen.» Sein Institut wolle sich in diesem Prozess mit einer «ausgewogenen Theologie der Mitte» positionieren: «Wir wollen Wandel und Erneuerung, aber innerhalb eines tradierten Rahmens.» Der Professor will mit Wissenschaftlern aus den muslimischen Kernländern im Austausch bleiben. Nur so könne sich ein europäisch geprägter Islam entwickeln, der auch ernst genommen werde.

Dua Zeitun studiert neben ihrem Beruf. Sie ist außerdem ehrenamtlich im muslimischen Landesverband Schura engagiert und bietet interreligiöse Führungen in Kirchen und Moscheen an. Und sie ist Mutter dreier Kinder: «Ohne meinen Mann könnte ich das alles gar nicht machen. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, dass er sich um die Kinder und den Haushalt kümmert, wenn ich nicht da bin.»


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