Fr, 09.03.2012«Dabei sein ist alles» - Daniel Themann hat das Down-Syndrom und wählt den künftigen Bundespräsidenten

Daniel Themann wird am 18. März in der Bundesversammlung den nächsten Bundespräsidenten mit wählen. Der 39-Jährige vertritt dabei eine Minderheit der Deutschen: Er ist geistig behindert.

Langförden/Berlin (epd). Für Daniel Themann ist der 18. März ein wichtiges Datum: «Dann wähle ich in Berlin Joachim Gauck zum Bundespräsidenten.» Was den 39-Jährigen aus dem niedersächsischen Langförden bei Vechta von vermutlich allen 1.239 weiteren Mitgliedern der Bundesversammlung unterscheidet, ist eine kleine Genmutation.
Daniel Themann ist geistig behindert. Er hat seit seiner Geburt das Down-Syndrom.

Wie alle Delegierten repräsentiert Themann einen Teil der Bevölkerung. Bundesweit leben nach Schätzungen des Arbeitskreises Down-Syndrom etwa 50.000 Menschen mit der Mutation «Trisomie 21». Sie ist die häufigste Form einer geistigen Behinderung. Vater Georg Themann hatte nach dem Rücktritt von Christian Wulff an die SPD-Landtagsfraktion geschrieben. «Sinngemäß habe ich denen gesagt: Warum nominiert ihr nicht einmal einen geistig Behinderten für die Bundesversammlung?» Wenige Tage später sei die Einladung mit der Post ins Haus gekommen.

Der SPD-Wahlmann Daniel Themann weiß genau, warum er Gauck seine Stimme geben will: «Ich wähle ihn, weil er für die Freiheit ist, und Freiheit braucht Gerechtigkeit.» Außerdem hat er erfahren, dass Gauck aus der DDR kommt und sich dort gegen Unrecht eingesetzt hat. Das genügt. Mit Bundespräsidenten hat Themann schon Erfahrungen gemacht: 2005 traf er während einer Berlinfahrt auf Horst Köhler und schüttelte ihm die Hand: «Ein guter Mann. Sehr nett.»

Daniel Themann stellt sich dem Leben und hat das Glück, immer wieder auf offene Türen zu treffen. Sein Lebensmotto lautet: «Dabei sein ist alles». Während in der Politik allenthalben über die Inklusion als gleichberechtigtes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung geredet wird, ist sie für den 39-Jährigen in weiten Teilen bereits Alltag.

In der örtlichen Tischlerei arbeitet er als ganz normaler Angestellter. Zu seinem Job fährt er mit seinem Motorroller. Seit gut zehn Jahren ist er zudem politisch als Mitglied der SPD aktiv. Regelmäßig besucht der die Parteiversammlungen und ist im Ortsvorstand sogar Beisitzer. Ausbildungsplätze für Jugendliche sind ihm wichtig.

Auch in seiner Freizeit will der leidenschaftliche Schwimmer immer wieder seine Grenzen überwinden. Bei der DLRG hat er seine Prüfungen als Rettungsschwimmer in Bronze und Silber abgelegt. «50 Meter am Stück tauchen ist kein Problem», sagt er und lacht mit einem gewissen Stolz in der Stimme. 50 Meter, das sind im Hallenbad immerhin zwei Bahnen. Regelmäßig nimmt er in seiner Spezialdisziplin - Freistil auf der Kurzstrecke - an den Landesmeisterschaften im Schwimmen teil. Außerdem sind er und sein Vater Mitglieder in einem internationalen Club für Oldtimer-Segelflugzeuge.

Für die Eltern ist die Nominierung eine besondere Freude: «Das ist fast eine Art Krönung für unser Engagement», sagt Mutter Ursula Themann. Von Anfang an hätten sich beide dafür starkgemacht, dass geistig behinderte Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können - noch lange bevor dafür das Wort Inklusion erfunden wurde.


Pressestelle

Kann die Pressestelle etwas für Sie tun? Hier finden Sie den Kontakt zu uns.