Mi, 12.02.2014Bundesgerichtshof nimmt Sohn in die Pflicht

40 Jahre lang wollte sein Vater nichts von ihm wissen, dennoch ist der Sohn zum Unterhalt verpflichtet: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs muss ein Mann aus Bremen die Heimkosten des Vaters bezahlen, der ihn verstieß.

Karlsruhe/Bremen (epd). Erwachsene Kinder sind auch dann, wenn ihre Eltern den Kontakt zu ihnen abgebrochen haben, verpflichtet, die Kosten des Pflegeheims zu tragen. Wie der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch in Karlsruhe urteilte, stellt ein Kontaktabbruch durch die Eltern in der Regel noch keine «schwere Verfehlung» dar, die zur Verwirkung des Elternunterhaltes führt. Das Urteil wurde in der Politik unterschiedlich aufgenommen. Die Kommunen begrüßten es. (AZ: XII ZB 607/12)

Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Bremer für die Heimkosten seines Vaters in Höhe von 9.022 Euro aufkommen muss. Die Stadt Bremen bezahlte zunächst die Kosten des Heimaufenthaltes, da der Mann sie nicht voll begleichen konnte. Als der Vater im Februar 2012, vier Jahre nach dem Umzug ins Heim, starb, forderte das Sozialamt die Heimkosten vom Sohn zurück. Er sei nach dem Gesetz zum Elternunterhalt verpflichtet.

Der Sohn weigerte sich, zu zahlen. Kurz nach seinem Abitur und der Scheidung seiner Eltern 1971 habe der Vater jeglichen Kontakt abgebrochen. Der Vater habe die familiären Bande aufgekündigt und sich damit «erkennbar aus dem Solidarverhältnis» gelöst. Selbst im 1998 verfassten Testament seines Vaters habe dieser festgelegt, dass der Sohn nur den «strengsten Pflichtteil» und nicht mehr erhalten solle. Als Begründung hatte der Vater damals den Kontaktabbruch angegeben.

Der Kontaktabbruch sei als «schwere Verfehlung» anzusehen, so dass nach den gesetzlichen Bestimmungen der Elternunterhaltsanspruch verwirkt ist, meinte der Sohn. Das Oberlandesgericht Oldenburg gab ihm recht und entschied, dass er nicht zahlen muss. Der Kontakt sei nicht einfach eingeschlafen, der Vater habe diesen vielmehr bewusst abgebrochen und damit seinen Sohn schwer gekränkt und verletzt.

Für die Verwirkung eines Elternunterhaltsanspruchs reiche dies aber nicht aus, entschied der BGH. Auch wenn der Vater das familiäre Band zerschnitten habe, habe er sich in den ersten 18 Lebensjahren seines Sohnes um diesen gekümmert. Der Vater habe so seinen Elternpflichten «im Wesentlichen genügt». Auch das Testament des Vaters führe nicht zur Verwirkung des Elternunterhalts. Der Vater habe lediglich von seinem Recht Gebrauch gemacht, selbst über sein Vermögen zu bestimmen.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kündigte an, seine Partei werde das BGH-Urteil «politisch» prüfen. «Ich persönlich halte dieses Urteil für menschlich nicht nachvollziehbar», sagte Lauterbach in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstagsausgabe). Es sei kaum akzeptabel, dass «ein Sohn unter derartigen Umständen mit der Übernahme der Kosten belastet» werde.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn (CDU), begrüßte den Richterspruch hingegen. «Familie ist man schließlich ein Leben lang», sagte er und verwies darauf, dass «man schon ziemlich gut verdienen muss, um überhaupt herangezogen zu werden».

Auch der Deutsche Landkreistag erklärte, es sei richtig, dass finanzkräftige Angehörige für ihre pflegebedürftigen Eltern einstehen müssen. Die Sozialämter müssten immer häufiger einspringen, wenn die gesetzliche Pflegeversicherung und das eigene Einkommen nicht ausreichen, sagte die Sozialbeigeordnete Irene Vorholz den «Stuttgarter Nachrichten» (Donnerstagsausgabe). Den Ausgaben von 3,72 Milliarden Euro stünden nur 470 Millionen Euro an Einnahmen der Kommunen etwa aus der Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber.

In der Vergangenheit hatte der BGH sich beim Elternunterhalt mehrfach hinter die Kinder gestellt. So entschied er am 24. Oktober 2002, dass Kinder weder dauerhafte erhebliche Einbußen in ihrem Lebensstandard noch eine Gefährdung ihrer eigenen Altersvorsorge hinnehmen müssen (AZ: XII ZR 266/99). Dies hatte das Bundesverfassungsgericht am 7. Juni 2005 auch bestätigt (AZ: 1 BvR 1508/96).

Haben Eltern ihre Kinder grob vernachlässigt, müssen diese ebenfalls später keinen Elternunterhalt zahlen, entschied der BGH am 19. Mai 2004 (AZ: XII ZR 304/02). Eine Ehefrau ohne eigenes Einkommen muss jedoch ihren rechnerischen Unterhalt von ihrem Ehemann ebenfalls für Unterhaltszahlungen an ihre Eltern teilweise aufwenden, so der BGH am 12. Dezember 2012 (AZ: XII ZR 43/11).

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