Mi, 22.10.2014Bremer lockern Friedhofszwang für die Asche Verstorbener - Kirchen kritisieren «Privatisierung von Tod und Trauer»

Bremen prescht im Bestattungsrecht voran. Künftig darf die Asche Verstorbener im kleinsten Bundesland an Lieblingsplätzen außerhalb von Friedhöfen ausgestreut werden. Die Kirchen sehen das kritisch und fürchten um die öffentliche Erinnerungskultur.

Bremen (epd). In Bremen darf die Asche Verstorbener nach einem Beschluss des Landesparlamentes künftig unter bestimmten Umständen auf privaten Grundstücken ausgestreut werden. Auch in Parks oder an Flüssen soll das mit einer Sondergenehmigung möglich sein. Nach engagierter Debatte lockerte die Bremische Bürgerschaft zu diesem Zweck am Mittwoch mit der Mehrheit der rot-grünen Regierungskoalition den bislang gültigen Friedhofszwang im kleinsten Bundesland in erster Lesung. Bremen übernimmt damit eine Vorreiterrolle in Deutschland. Kritik kam von der oppositionellen CDU und von den Kirchen.

Das Gesetz soll Anfang 2015 in Kraft treten, voraussichtlich im November soll es deshalb eine zweite Lesung in der Bürgerschaft geben. Das Verstreuen selbst wird an eine ganze Reihe von Bedingungen geknüpft: Unter anderem muss der ausdrückliche Wille des Verstorbenen schriftlich festgehalten sein. Außerdem soll eine Person zur «Totenfürsorge» benannt werden, die darüber wacht, ob die wunschgemäße Bestattung tatsächlich eingehalten wird. Dabei müsse die Ehrfurcht vor den Toten beachtet werden, heißt es.

So soll beispielsweise bei starkem Wind nicht verstreut werden, um zu verhindern, dass Aschereste auf benachbarte Grundstücke wehen. Der «Totenfürsorger» soll am Ende eidesstattlich versichern, das alles würdevoll abgelaufen ist. Die neue Regelung hebelt in Bremen die bislang in allen Bundesländern gültigen Regeln für die Feuerbestattung aus. Danach muss eine Urne mit der Asche des Toten zwingend sofort auf Friedhöfen oder besonders ausgewiesenen Arealen wie Friedwäldern beigesetzt werden. Eine Ausnahme galt bisher lediglich bei Seebestattungen.

Oppositionsführer Thomas Röwekamp mahnte, das Gesetz bedeute im praktischen Vollzug eine völlige Freigabe der Totenasche, weil nicht geprüft werden könne, ob sie tatsächlich verstreut werde. «Wird es in Bremen eine Urnenpolizei geben?», fragte der CDU-Fraktionschef in der Diskussion. Das Gesetz mache den Menschen zur Verfügungsmasse. Ein Mensch gehöre nicht sich selbst, auch nicht im Tod. «Andere haben Anteil an Tod, Würde und Trauer.»

Grünen-Sprecherin Maike Schaefer betonte hingegen, die Reform komme dem Wunsch vieler Menschen nach individuellen Bestattungsorten außerhalb von Friedhöfen nach. Die Novelle wahre das Selbstbestimmungsrecht des Menschen über den Tod hinaus.

Auch von den Kirchen kam Kritik. «Das führt zu einer Privatisierung von Tod und Trauer, die die öffentliche Erinnerungskultur infrage stellt und der Würde Verstorbener nicht gerecht wird», sagte Pastor Bernd Kuschnerus als Sprecher der Bremischen Evangelischen Kirche dem epd.

Ähnlich argumentierten Vertreter der katholischen Kirche und der theologische Vizepräsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thies Gundlach. «Bestattungsorte müssen dauerhaft öffentlich zugänglich sein», betonte Gundlach und fügte hinzu: «Trauern und Gedenken braucht Erinnerungsorte und lässt sich nicht auf die engsten Angehörigen reduzieren.» Die bremische Kirche befürchtet überdies, dass bei Bestattungen armer Menschen von Amts wegen die Verstreuung als günstigste Variante gewählt wird.

Der Entwurf wurde über Monate kontrovers diskutiert. Ein früherer Vorschlag, nach dem Angehörige Urnen für zwei Jahre mit nach Hause nehmen dürfen, ist aus dem Text gestrichen worden. Dem hatte der Bremer Staats- und Verfassungsrechtler Dian Schefold in einem Gutachten eine Absage erteilt. Die Beschränkung auf zwei Jahre sei «unverhältnismäßig, willkürlich und verfassungswidrig», urteilte der Jurist, der hinter diesem Vorschlag finanzielle Interessen von Friedhofsbetreibern und Bestattern vermutete.

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